Am Anfang steht eine respektvolle Verneigung des Musikers vor seinem Instrument: Im Lichterkreis steht sie da im Ständer, die Gitarre von Reinhard Mey, und wartet auf den Mann, der bald gut zwei Stunden lang mit seinen Fingern zärtlich und meisterlich über ihre sechs Saiten streichen wird.
Und dann betritt der Liedermacher die ganz in Schwarz gehaltene Bühne der Big Box und wird vom großen Applaus seiner 3000 Fans begrüßt. Bereits zum dritten Mal tritt Reinhard Mey mit seiner Akustikgitarre – eine 'Hanika', Modell 1a PF – in der Big Box auf. Und wieder ist die Halle ausverkauft. Seit langem. Die Fans kommen aus allen Teilen der Region und darüber hinaus.
'Musik ist ein Lebensmittel'
Und von der ersten Minute an ist zwischen Musiker und Publikum eine innige Wärme und Vertrautheit zu spüren. Fast bewegungslos steht er da, in schwarzer Hose und schwarzem Hemd gekleidet. 'Die Musik', sagt er, 'ist für mich ein Lebensmittel, ein Überlebensmittel und auch ein Arzneimittel.' Und im Laufe des Abends wird die Bedeutung dieses Bekenntnisses klarer und klarer.
Ob Mann oder Frau, jung oder alt, arm oder reich, bodenständig oder intellektuell – in seinen Texten können sich unterschiedlichste Menschen wiederfinden. Der Alltag ist für den begnadeten Geschichtenerzähler ein Inspirations-Füllhorn. So besingt er die Imbiss-Bude um die Ecke und die Warmherzigkeit seiner Besitzerin ('Antje'). Oder er lässt sich süffisant-ironisch über 'Männer im Baumarkt' aus. Oder er philosophiert über den 'Ficus Benjamini', der die ärztlichen Wartesäle der Republik schmückt.

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Zwischendurch schlägt Mey auch ernste, nachdenkliche Töne an. So rezitiert er den Text 'Bedenkt' seines einstigen Förderers Hanns Dieter Hüsch (1925 – 2005), der mit den schönen Worten endet: 'Sollen wir sie lieben, diese Welt? Sollen wir sie lieben? Ich möchte sagen, wir wollen es üben.' Oder er singt den Konstantin-Wecker-Klassiker Was keiner wagt'. Viel Applaus gibt es auch für die epische 'Eisenbahnballade', in der der überzeugte Pazifist die Gräuel des Zweiten Weltkriegs thematisiert.
Ein Hoch aufs Butterbrot
Der rote Faden, der sich durch das gut zweistündige Programm zieht, sind die Lieder seines aktuellen 25. Studioalbums 'Mairegen' und die Rückschau auf das eigene Leben. Wehmütig blickt der 68-Jährige zurück, stimmt etwa ein Hohelied auf das Butterbrot an, erinnert sich an seine ersten musikalischen Gehversuche und seine erste E-Gitarre, die er für 80 Mark bei Quelle erstand ('Rotten Radish Skiffle Guys').
Er erzählt von der Verliebtheit in jungen Jahren, in denen er wie andere auch zum 'analogen Liebesorakel', dem Gänseblümchen,, griff. Ergreifend: 'Drachenblut', jenes Lied, das er seinem Sohn Max gewidmet hat, der nach einer verschleppten Lungenentzündung seit zwei Jahren im Wachkoma liegt.
Im zweiten Teil verzichtet Mey weitgehend auf Plaudereien. Stattdessen lässt er seine Lieder sprechen, die von Menschlichkeit, Güte, Liebe, Zärtlichkeit, Trauer, Dankbarkeit und Demut erzählen. Und das rührt die Fans, von denen einige den ein oder anderen Klassiker – vor allem natürlich 'Über den Wolken' – vermissen. Dennoch gibt es am Ende für den Liedermacher mit dem großen, wehmütigen Herzen langanhaltenden Applaus im Stehen.