Von Stefan Drescher und Mischa Miltenberger |KaufbeurenSeit dem Spielabbruch im Allgäu-Derby gegen den EV Füssen in der vergangenen Oberliga-Saison haftet den Fans des ESV Kaufbeuren ein unschöner Ruf an. Als es vor zwei Wochen nach dem Spiel in Peiting ebenfalls zu Ausschreitungen kam, wurde dort gar von "Hooligans" gesprochen. Ein Fanclub, der öfter im Zentrum der Kritik steht, ist die "Jokeria". Wir haben uns vor den Partien des ESV Kaufbeuren heute gegen Deggendorf (19.30 Uhr) und am Sonntag um 18 Uhr in Landsberg (Vorbericht siehe Allgäu-Sport) mit Jokeria-Vorstandsmitglied Christoph Herb und dem Vorsitzenden des Fanclubs Wertachbären, Michael Seidel, unterhalten.
Füssen, Klostersee und jetzt Peiting - zum dritten Mal innerhalb von einem Jahr musste bei einem Auswärtsspiel des ESVK die Polizei einschreiten und gegen Kaufbeurer Anhänger vorgehen. Da kann man als Fan doch nicht stolz darauf sein, oder?
Herb: Normalerweise sollte es keine Polizei brauchen, das stimmt. Hätte der EV Füssen letztes Jahr jedoch einen funktionierenden Ordnungsdienst gehabt, dann wäre die Lage nicht derart eskaliert. Dass in Klostersee etwas vorgefallen sein soll, ist mir nicht bekannt.
"Angetrunkener Ordner"
Auch da flogen während des Spiels Gegenstände aufs Eis und am Ende musste ebenfalls die Polizei anrücken.
Herb: Dass man Sachen aufs Eis schmeißt, muss definitiv nicht sein. Aber da müssen sich die einzelnen Leute selber im Griff haben.
Also ist für Sie das ganze Thema Fan-Fehlverhalten eines, bei dem sich jeder Einzelne an die eigene Nase fassen muss?
Herb: In der Jokeria ist jeder für sein eigenes Handeln verantwortlich, die Gruppe wird für das Fehlverhalten eines Einzelnen nicht zur Rechenschaft gezogen. Was ich jedoch definitiv verneinen kann, ist, dass wir auf Gewalt aus sind - weder treten wir aggressiv auf, noch suchen wir gewollt Streit. Die Jokeria steht für Stimmung im Stadion und will durch Spruchbänder und Choreographien optische Akzente setzen.
Nichtsdestotrotz ging es in Peiting mehr denn je zur Sache. Wie haben Sie die Vorkommnisse gesehen?
Seidel: Ich bin erst später hinzugekommen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ein Peitinger Stadionordner, der offensichtlich angetrunken war, immer wieder Ärger provozierte. Selbst als ihn die Polizei abführte, hat er weiterhin Kaufbeurer Anhänger angepöbelt. Wenn die Situation dann derart eskaliert, kann man keinem unserer Fans die Schuld in die Schuhe schieben, sondern muss diese auf Peitinger Seite suchen.
Herb: Von Spielbeginn an herrschte im Stadion eine aggressive Grundstimmung, die darauf zurückzuführen ist, dass Peitings Verteidiger Pufal bereits beim Einfahren den Kaufbeurer Fans den Mittelfinger zeigte. Nach dem Spiel folgten ähnliche Gesten der Peitinger Mannschaft auf deren Ehrenrunde. Zwei Kaufbeurer Fans sind dann vor an die Brüstung und haben die Spieler verbal attackiert, worauf der besagte Ordner anfing drauflos zu schlagen. Es entstand ein größeres Gerangel zwischen mehreren hinzukommenden Fans und Ordnern, welches schließlich die Polizei unter dem Einsatz ihrer Schlagstöcke auflöste.
"Kann nicht auf jeden aufpassen"
Abseits der Schuldfrage: Traurige Tatsache ist jedoch, dass spätestens seit dem letztjährigen Derby in Füssen die Kaufbeurer Fans einen gewissen Ruf innehaben. Muss man sich dann nicht umso mehr zusammennehmen, um dieses negative Image irgendwann auch wieder los zu werden?
Herb: Ich sehe das Thema gar nicht so schlimm. Abgesehen von Füssen und Peiting hat es noch nie großartigen Ärger gegeben. Nach dem Spielabbruch im Derby wurde in manchen Medien damals von "Randalen" gesprochen und alles ziemlich aufgebauscht. Letztlich sind lediglich ein paar Gegenstände aufs Eis geworfen worden, was, denke ich, dann doch etwas anderes als Sachbeschädigung oder Körperverletzung ist.
Seidel: Es gibt überall verschiedene Charaktere, egal, ob das nun in der Jokeria, bei den Wertachbären oder sonst einem Fanclub ist. Du kannst nicht auf jedes Mitglied aufpassen und schauen, wie viel er trinkt und wie er sich benimmt.
Im Klartext: Es gibt immer ein paar Idioten, die sich daneben benehmen. Liegt es dann aber nicht an den jeweiligen Fanclubs, gegen diese Rabauken in den eigenen Reihen vorzugehen?
Herb: Wenn bei uns einer Mist baut, dann nimmt sich den der Vorstand zur Brust. Bei einem größeren Fehlverhalten hätte dies mit Sicherheit auch härtere Konsequenzen. Wir haben ja schließlich auch keine Lust mehr, immer in der Kritik zu stehen.
"Alle zeigen zuerst auf uns"
Wenn es Ärger gibt, hört man als erstes immer den Namen Jokeria. Zufall?
Herb: Das Problem ist, dass wir auf Auswärtsfahrten immer die große Zaunfahne mit unserem Namen darauf dabei haben. Wenn etwas passiert, zeigt dann natürlich als erstes immer alles auf uns.
Seidel: Ich sehe das ähnlich. Die Jokeria steht immer sehr schnell im Brennpunkt, weil sie eben sehr aktiv ist, immer geballt auftritt und vorne dran ist - vor allem bei Auswärtsfahrten, wo von den anderen Fanclubs nur wenige dabei sind.
Am Anfang hat sich die Jokeria schwer getan, ihren Platz zwischen den etablierten Kaufbeurer Fanclubs zu finden. Wie ist die Situation jetzt?
Seidel: Was die Stimmung angeht, war die Jokeria schon immer ein Vorreiter. Ohne die Jokeria, wäre im Stadion keine Stimmung. Das muss man definitiv so sagen und da muss ich für die Jungs auch eine Lanze brechen. Von uns werden sie absolut anerkannt.