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Opfer von Schockanruf aus dem Unterallgäu berichtet vor der Presse

"Mama, Mama, bitte hilf mir!"

Opfer von Schockanruf aus dem Unterallgäu berichtet vor der Presse

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    In einer Pressekonferenz berichtete Frau Bruns, Opfer von einem Schockanruf, von ihrer Erfahrung. Der Vorfall hat Spuren bei der 60-Jährigen hinterlassen.
    In einer Pressekonferenz berichtete Frau Bruns, Opfer von einem Schockanruf, von ihrer Erfahrung. Der Vorfall hat Spuren bei der 60-Jährigen hinterlassen. Foto: Corinna Sedlmeier

    Am Donnerstag kam es im Unterallgäu und Ostallgäu zu einer Welle an Schockanrufen. Elke Bruns, eines der Opfer, hat am Montagvormittag im Polizeipräsidium Kempten in einer Pressekonferenz von ihren Erlebnissen berichtet. 

    Ablauf des Gesprächs

    Wie Bruns erzählt, hat am Donnerstagnachmittag bei ihrem 66-jährigen Mitbewohner das Festnetz-Telefon geklingelt. Am Telefon war angeblich die Tochter von Bruns, die panisch und weinerlich ins Telefon geschrien hat. Die 60-Jährige war überzeugt davon, dass es sich bei der Frau am Telefon um ihre Tochter handelte. Sie berichtete von einem tödlichen Autounfall, den sie angeblich verursacht hat. Frau Bruns war verständlicherweise sofort in großer Sorge um die Sicherheit und Zukunft ihrer Tochter. Kurz darauf war eine angebliche Polizistin am Telefon, die den Fall schilderte. Ihre Tochter habe angeblich eine Frau angefahren, die dann im Krankenhaus an ihren Verletzungen verstorben sei. Der Tochter drohten fünf Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft verlange eine Kaution von knapp 25.000 Euro in bar, damit die Tochter den Polizeigewahrsam verlassen könne. Noch dazu habe die Tochter eine Schweigeerklärung unterzeichnet, die ihr vorschrieb, nur mit einer Person über den Fall zu sprechen. Auch Frau Bruns dürfe mit niemandem sonst über den Fall sprechen.  Weil sie nicht über so viel Geld verfügte, bat Elke Bruns ihren Mitbewohner, der das Gespräch mitbekommen hatte, ihr das Geld zu leihen. Die angebliche Polizistin bat um die Handynummern von Bruns und ihrem Mitbewohner. Wenig später rief ein Mann an, der sie weiter instruierte. Sie und ihr Mitbewohner sollten die Handys anlassen, wenn sie die Bank betreten. Der Unbekannte wies sie jedoch an, während des Aufenthalts in der Bank nicht mit ihm zu sprechen.  Die beiden fuhren zur Bank des 66-jährigen Mitbewohners. Während der Fahrt habe sie nur noch gezittert, sie war völlig in Panik und Sorge.  Zu keinem Zeitpunkt kam ihr der Gedanke, dass es sich bei dem Anruf um einen Betrug handelte. 

    Bankangestellte klärte sie über Betrugsmasche auf

    Da sie die angebliche Schweigepflicht nicht verletzen wollten, gaben sie als Grund für die Abhebung von 25.000 Euro einen Autokauf an. Auf dem Konto des Mitbewohners gab es allerdings nicht genug Geld. Weil der Mitbewohner der Inhaber des Kontos war, wollte die Bankangestellte unter vier Augen in einem separaten Büro mit ihm sprechen. Frau Bruns verließ mit ihrer Handtasche, in der sich das immer noch eingeschaltete Handy befand, das Büro. Was genau in dem Büro besprochen wurde, ist nicht ganz klar, doch als Frau Bruns zurückkam, klärte die Bankangestellte sie über die Betrugsmasche mit den Schockanrufen auf.  Zurück im Auto erklärte sie dem Mann am Telefon, dass sie das Geld nicht bekommen habe. Der kündigte an, dass sich in diesem Fall der Staatsanwalt melden würde. Frau Bruns wurde zunehmend panisch und misstrauisch. Sie bat einen Nachbarn, ihren Ex-Mann in Hannover anzurufen. Er sollte der Sache nachgehen, die Unfälle durchgehen und ihre Tochter anrufen. Schließlich die erlösende Nachricht: Der Tochter gehe es gut, sie sei beim Lernen und es gab auch keinen Unfall. Daraufhin ist Frau Bruns zusammengebrochen.  Gleich am nächsten Tag wollte Frau Bruns zur Polizei und auch zur Presse, um weitere potentielle Opfer zu warnen. Die Filialleitung der Bank hatte bereits die Polizei in Mindelheim verständigt. Frau Bruns hat für zukünftige Fälle von Telefonbetrug nun ein zusätzliches "Notfallhandy", mit dem sie solche Schockanrufe besser entlarven kann. 

    Die Täter setzen auf emotionale Reaktion 

    Bei der Pressekonferenz war auch Frank Lohmann, Psychologe  des Bezirkskrankenhauses Kempten, anwesend. Er erklärte, welche Taktiken die Täter verfolgen und wie es ihnen gelingt, innerhalb kürzester Zeit ihre Opfer um den Finger zu wickeln. Die Betrüger gehen zunächst immer hochprofessionell vor. Gleich zu Beginn des Gespräches setzen sie auf eine emotionale Reaktion und persönliche Relevanz für das Opfer. Wie im Fall von Frau Bruns eine verzweifelte, aufgelöste Tochter, die ihre Mutter bittet, ihr zu helfen. Dadurch erzeugen die Täter auch einen Handlungsdruck, schließlich will jedes Elternteil instinktiv ihrem Kind helfen und es beschützen.

    "Automatisches Handeln"

    Laut Lohmann setzen die Täter auch auf den Effekt von Stresssituationen. Durch Stresssituationen wird eine Art automatisches "Programm" im Kopf ausgelöst, ähnlich einer "Kampf oder Flucht"-Reaktion. Das kritische und reflektive Denken wird in solchen Stresssituationen laut Lohmann ausgeschaltet. Dieses automatische Handeln ist nur schwer zu durchbrechen, oft gelingt das nur von Außen. Genauso schilderte Frau Bruns ihr Empfinden: "Ich habe nur noch funktioniert", sagte Bruns gegenüber der Presse.

    Instinktive Reaktion

    Tanja Molocher, Hauptkommissarin der Polizei Schwaben Süd/West erklärt, wieso das Opfer die Stimme für die ihrer Tochter gehalten hat, damit, dass die Frau am Telefon geschrien hatte und immer wieder "Mama" gesagt hatte. Bei Müttern könne das eine instinktive Reaktion auslösen. Ähnlich wie am Spielplatz, wenn ein Kind schreit, reagieren gleich mehrere Frauen. Frau Bruns war von Anfang an in dem Gespräch überzeugt, dass es sich um die Stimme ihrer Tochter handelte. Sie vermutete, dass die Täter womöglich auch eine spezielle Software benutzten, um die Stimme zu verändern. 

    100 Anrufe in nur einer Region

    Tanja Molocher erklärte anschließend das Vorgehen der Täter aus der Polizeiperspektive. Meist telefonieren demnach die Betrüger die Regionen ab. Dabei kommt es zu etwa 100 Anrufen am Tag, etwa 20 bis 30 davon werden dann von den Opfern angezeigt. Die Täter versuchen es zunächst immer auf dem Festnetz, vor allem bei Menschen, die älter klingende Vornamen haben. Molocher gibt den Tipp, dass ältere Menschen mit Festnetzanschluss sich einen Tischaufsteller von der Polizei neben das Telefon stellen, der sie vor möglichen Betrügereien warnt. Das könnte auch die emotionale Stresssituation besser auflösen und ein kritischeres Denken bei den Opfern ermöglichen. Auch Frau Bruns gab zu, dass so ein Tischaufsteller ihr womöglich geholfen hätte. Allerdings hat nur ihr Mitbewohner einen Festnetzanschluss, sie selbst habe nur ihr Handy. 

    Prävention und richtiges Verhalten

    Molocher rät am besten, gleich aufzulegen und die Polizei zu informieren. Denn je mehr Fälle bekannt werden, desto leichter ist es, neue Ermittlungsansätze zu finden. Wer Opfer von so einem Anruf geworden ist, der soll sich die Nummer, Uhrzeit und Stimme (männlich/weiblich, Dialekt) genau merken und am besten aufschreiben. Zusätzlich verschickt die Polizei regelmäßig Alarmverteiler, wenn sich Schockanrufe in einer bestimmten Umgebung wieder häufen. Noch ein Grund, solche Anrufe sofort zu melden. Die Verteiler werden unter anderem an Banken, an Krankenhäuser, beziehungsweise Seniorenheime verschickt. Wer in den Verteiler aufgenommen werden will, kann das über die jeweilige Polizeiinspektion anfragen. 

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