Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Viele Risiken in der Landwirtschaft

Allgäu

Viele Risiken in der Landwirtschaft

    • |
    • |

    Agrarpolitik und Verbraucherschutz: Jungbauern diskutieren auf Einladung der Allgäuer Zeitung Germaringen/Ostallgäu (avu). Europäische Agrarpolitik, Verbraucherschutz, BSE, Maul- und Klauenseuche, Antibiotikaskandale ­ Verbraucher und Bauern sind verunsichert. Die Branche steht vor neuen Herausforderungen. Wie Jungbauern die Situation der Landwirtschaft sehen, diskutierten auf Einladung der AZ in Germaringen Andreas Dopfer (34), Daniel Zech (20), Andrea Wagner (24), Robert Mair (29), Kathrin Rist (26) und Michael Dempfle (35).

    Ist es überhaupt noch sinnvoll, als junger Landwirt einen Hof zu übernehmen?

    Zech: Ich finde schon, nur müssen die Voraussetzungen gegeben sein, damit man ihn auch noch in 15 Jahren vernünftig führen kann.

    Was sind die Voraussetzungen?

    Mair: Neben den wirtschaftlichen Voraussetzungen ist das der Wille, einen Betrieb zu führen. Viele reden immer vom Aufhören. Damit kommt die Grundstimmung auf.

    'Stimmung hängt von Politik ab'

    Ist das nicht verständlich?

    Dopfer: Die Landwirtschaft hat viele Risiken. Auf dem jetzigen Niveau des Weltmarktes kann schon fast keiner mehr produzieren. Die Stimmung hängt von der Politik ab.

    Wie wichtig ist denn die Betriebsgröße?

    Dempfle: Das ist nicht das Wichtigste. Es gibt Betriebe, die sind mit 15 Kühen gut ausgelastet, wenn nebenher noch etwas reinkommt. In erster Linie zählt aber die Einstellung desjenigen, der die Betriebsleitung übernehmen soll.

    Welche Alternativen gibt es denn?

    Mair: Das kommt darauf an, ob ich heute die Landwirtschaft im Voll- oder im Nebenerwerb betreiben will. Es gibt Busfahrer, die gehen um fünf Uhr morgens in den Stall, um dann um sieben bei der Arbeit anzufangen. Abends geht\'s dann wieder in den Stall.

    Wagner: Ansätze gibt es viele, aber ob ich die dann auch umsetzen kann und will, ist die Frage. Ich habe das alles auf der Technikschule für Ernährung und Hauswirtschaft gelernt. In der Praxis sieht das aber anders aus. Urlaub auf dem Bauernhof anzubieten, ist bei uns ­ im Gegensatz zum südlichen Landkreis ­ zum Beispiel wieder problematisch.

    Das System funktioniert sogar auf dem flachen Land ­ etwa wenn zusätzlich Tagungsmöglichkeiten angeboten werden.

    Wagner: Es kommt sicher auch auf den Hof und die Familie an. Man ist dann ja nicht mehr nur Landwirt, sondern auch Gastgeber.

    Seit Renate Künast Bundeslandwirtschaftsministerin ist, reden alle von 'Bio'.

    Rist: Da gibt es viele Möglichkeiten, aber auch viele Vorschriften. Kein Ei darf in der Nachbarschaft verkauft werden. Im Verkaufsraum muss ein Schild hängen: Rohmilch vor Verzehr abkochen. Hygiene muss sein, aber nicht übertrieben. Ich bin auch gebunden, muss immer dasein, wenn die Kunden kommen.

    Es gibt aber sehr erfolgreiche Biolandwirte. Zitat Was hilft der größte Betrieb? Der Landwirt muss Freude an der Arbeit haben. Auch wenn das derzeit sehr schwer ist.}Michael Dempfle

    Zech: Das kommt auf den Betrieb an. Wir verkaufen Vorzugsmilch und haben ganz eigene Auflagen. Damit beliefern wir die Kunden, die überall verteilt sind. Das heißt, wir brauchen einen Fuhrpark und viel Zeit für den Vertrieb. Wenn man das richtig angeht, kann man davon leben, und das tun wir.

    BSE bleibt eines der Themen, auch wenn nicht mehr täglich darüber gesprochen wird.

    Mair: Natürlich. Jeder weiß auch, dass es auf seinem Hof passieren kann. Das gleiche gilt für die Maul- und Klauenseuche. Zitat Allein der Hof als Urlaubsort verkauft sich nicht. Es muss auch das Umfeld stimmen.}Andrea Wagner

    Mit der Solidarität steht es offenbar nicht zum Besten. Der Ostallgäuer Verein 'Selbsthilfe gegen BSE' konnte bisher nicht gegründet werden, weil keiner mitmachen will.

    Dopfer: Wo will man denn noch Druck machen? Bauernverband und Tierschützer waren gegen die Tötung der gesamten Herde. Mit dem Verein wollten wir es über den Rechtsweg versuchen und im Fall einer Tötungsanordnung dagegen klagen. Das ist wie bei dem Stallbuch. Politisch ist das beschlossen, und rechtlich kann man wohl auch nichts machen. Mit Klagen im Fall einer Tötungsanordnung bei BSE erhoffen wir uns aber Chancen.

    Das Stallbuch sehen Sie als Schikane?

    Dopfer: Eine Salbe, die jeder Mensch ohne Arztbesuch benutzen kann, muss in dem Stallbuch aufgezeichnet werden. Das kam mit dem Antibiotika-Skandal bei Schweinen auf. Arzneimittel-Missbrauch war damals illegal, deswegen kann man es heute bei einigen schwarzen Schafen auch nicht ausschließen. Für mich heißt das: Ich mache das gleiche wie vorher, muss aber mehr schreiben.

    Nochmal zu BSE. Wie sehen Sie die jetzt praktizierte Lösung, bei der nur noch die Kohorte um das erkrankte Rind getötet wird und nicht mehr der ganze Bestand?

    Wagner: BSE ist eine Einzeltiererkrankung, also sollte nur das kranke Tier getötet werden.

    Dopfer: Um dem Verbraucherschutz gerecht zu werden, reicht es, alle Tiere auf dem Schlachthof zu untersuchen und das Risikomaterial zu vernichten.

    'Gleicher Preis, weniger Auflagen'

    Der Verbraucherschutz fordert mehr.

    Dempfle: Aber nur bei uns. Hier wird zu 100 Prozent kontrolliert, in anderen EU-Ländern zu fünf Prozent stichprobenartig. Das kann doch nicht sein. Landwirte in anderen Ländern bekommen den gleichen Preis, aber mit wesentlich weniger Auflagen.

    Dopfer: Nehmen Sie jetzt aktuell die Gänse. 70 Prozent der Gänse kommen aus Polen. Viele Verbraucher im Supermarkt kaufen die polnische Gans, weil die billiger ist. Zu Hause heißt es dann wieder, der deutsche Bauer soll doch bitte dieses und jenes nicht machen. Zitat Viele Verbraucher wollen das Vieh auf der Weide sehen, die selben wollen im Supermarkt das Fleisch aus dem Mastbetrieb kaufen.}Andreas Dopfer

    Dempfle: Andere Verbraucher an der Kühltheke haben ein gutes Gewissen, weil sie heute mehr fürs Fleisch bezahlen. Für uns hat sich der Preis aber halbiert. Das ist absurd.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden