Mitten im strömenden Regen stehen zwei Frauen in Pfaffenhausen auf dem Gehweg und liegen sich weinend in den Armen. Sie sind erschöpft vom Wasserschöpfen, vom Schutt wegräumen und sie schauen hinauf in den Himmel, der aber immer noch regenwolkenverhangen ist. In der Nacht auf Freitag hat den nördlichen Landkreis Unterallgäu das schlimmste Hochwasser seit langem, ein 'Jahrhundertregen' getroffen.
Die Schäden lassen sich derzeit nicht schätzen, gehen aber sicher in die Millionen. In der Nacht, als der Regen nicht mehr nachlassen wollte, rückten die Feuerwehren schon aus. "Und zwar alles, was einen Feuerwehrhelm hat", sagt Kreisbrandinspektor Jakob Schlögel, einer von drei örtlichen Einsatzleitern, zuständig für den Bereich Pfaffenhausen, Salgen, Eppishausen. Sogar die Jugendfeuerwehrler machen sich nützlich, helfen den "Großen".
In Pfaffenhausen ging´s um 4 Uhr los, da war die ganze Hauptstraße und das Gebiet rund um den Bahnhof überschwemmt. Die Mindel tat ein Übriges. Hart getroffen hat es vor allem die Geschäfte wie Mindel Moden oder das Schuhgeschäft Weißenhorn, das sein Schuhlager im Keller hatte. Bis Redaktionsschluss wurde in Pfaffenhausen noch gearbeitet, waren die Kräfte im Einsatz. Bürgermeister Roland Krieger sprach von einer "totalen Katastrophe" für den Ort.
Ein schreckliches Bild bot auch der Supermarkt Neukauf: Die bräunliche Wasserbrühe bahnte sich auch ihren Weg in den Supermarkt hinein, die Gartenartikel, die draußen aufgebaut waren, stehen ebenfalls zehn Zentimeter im Wasser. Auch bei Familie Bartenschlager gleich nebenan lief emsig die Pumpe und die Bewohner schöpfen das Wasser eimerweise hinaus: "Wir hatten schon mal Probleme mit Grundwasser, aber noch nie Hochwasser in diesem schlimmen Ausmaß."
Nur eine Spezies freute sich an dem Hochwasser: die Tiere. Auf manch einer Wiese, in der das Wasser zentimeterhoch stand, stakste ein Storch oder ein Reiher vergnügt vor sich hin und fing Frösche. Und im Schnerzhofer Weiher, lange ausgetrocknet und gestern wieder randvoll mit Wasser, schwammen wieder die Enten. "Wir mussten den Weiher wieder zumachen als Stausee, damit das Tal unten nicht absäuft", sagte einer der Verantwortlichen. Innerhalb von sechs Stunden war er wieder voll.
Bedernau war zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten, ebenso wie andere kleinere Orte, wo einzelne Zufahrtsstraßen wegen Überschwemmung gesperrt waren. Gestern gab es wohl keinen Autofahrer, der nicht an einer Sperrung, Umleitung und Feuerwehrleuten vorbeikam. Wer es trotzdem durch die kleinen Stauseen versuchte, lief Gefahr, mit seinem Auto abzusaufen. Vorsicht war auch angesichts herabgestürzter Äste angebracht.
Im Feuerwehrgerätehaus in Tussenhausen stand Bürgermeister Anton Fleck, seine Miene versteinert angesicht der Katastrophe, die über seine Gemeinde hereingebrochen ist. Auch hier, wie überall im nördlichen Landkreis, Hunderte überschwemmte Keller, überschwemmte Straßen, Schäden in Millionenhöhe. Der Dorfbach in Mattsies trat über die Ufer und überschwemmte den Flugplatz der Firma Grob. Auch die Flossach hielt sich nicht mehr an ihre Grenzen. Zahlreiche befestigte Feldwege "hat es einfach weggerissen", so Bürgermeister Fleck.
Die Anwohner des Angelbergs waren zeitweise abgeschnitten, nur zu Fuß konnten sie sich hinunter in den Ort kämpfen. Der Schaden an den gemeindlichen Straßen sei nicht abzuschätzen, so Fleck. Blickte man in die Einfahrten der Grundstücke, bot sich oftmals das selbe Bild: durchgeweichte Umzugskisten, verdreckte Möbel, Kühltruhen, Spielzeug "alles dahin, aber es hätte Schlimmer kommen können", sagte eine tapfere Bewohnerin des landwirtschaftlichen Anwesens Holl in Tussenhausen. Ihre Kleider sind schon bis zum Bauch durchnässt, da sie versucht hat, durch die tiefe Pfütze auf dem Hof zu waten. Zudem regnete es von oben aus Kübeln, aber sie nahm es mit Humor: "Nasser kann ich nicht mehr werden".
Auch die Feuerwehrleute hatten ihren Humor noch nicht verloren. Auf die Frage der Reporterin, wo denn der Bach verlaufe, antwortete einer ganz trocken: "Da, wo Sie jetzt stehen". Pfützen überall, kleine oder größere Rinnsale, die sich ihren Weg bahnen, leider auch durch Kellerfenster hinein. "Wir wissen nicht genau, woher das Wasser kommt", sagt auch die Familie Eberle im Mühlenweg in Eppishausen, die mit Hilfe von Verwandten mittags schon das Gröbste geschafft hat. "Da muss man schon zusammen helfen", sagt die Schwester bestimmt und wischt weiter das Wasser auf.
Man könnte vermuten, dass das Hochwasser der Hasel unterhalb des Grundstücks den Keller überschwemmt hat. Aber nein: Offensichtlich haben die Wassermassen, die vom Hügel herabliefen, das Kellerfenster eingedrückt. "Wir haben noch versucht, mit Sandsäcken abzudichten, aber um 3 Uhr kam das Wasser rein und wenige Stunden später stand im Keller eineinhalb Meter hoch das Wasser. "Wir werden sicher noch den ganzen Samstag zu tun haben", sagte Kreisbrandinspektor Jakob Schlögel.
Jeder hofft natürlich auf ein Nachlassen des Regens am heutigen Tag. Im Lagezentrum im Landratsamt Unterallgäu geht man davon aus, dass sich die Lage am Wochenende entspannt. Die Wettervorhersagen machen den Menschen entsprechende Hoffnungen.
Die Allgäuer Zeitung erhalten Sie im ganzen Allgäu in den AZ Service-Centern im Abonnement oder digital als e-Paper