Für Aufsehen sorgte ein Vorfall an einem Reuttener Kindergarten vergangene Woche. An der Eingangstüre war ein Schild befestigt: "Liebe Eltern, ab hier wird Deutsch gesprochen!! Bürgermeister Alois Oberer". Weil die Meinungen darüber auseinander gehen und die User auf unserer Facebook-Seite viel darüber diskutiert haben, hat sich all-in.de an andere Träger von Kindergärten im Allgäu gewandt. In katholischen Kindergärten im Allgäu könne die Kommunikation "schon mal schwierig werden", so Günter Groll, Vorsitzender des Vorstands der katholischen Stiftung KiTA-Zentrum St. Simpert. Die Aussage des Trägers der städtischen Kindergärten in Kaufbeuren lautet jetzt: Sie haben und werden keine Deutschpflicht in den Einrichtungen der Stadt aussprechen. Das teilte Alfred Riermeier mit, Leiter des Jugend- und Familienreferats in Kaufbeuren. "Die Kindergärten nehmen die Vielfalt der Familienkulturen und -sprachen in den Einrichtungen wahr und begleiten die Eltern individuell, je nach deren Deutschkenntnissen durch den Kindergartenalltag", erklärt Riermeier. Durch eine "Deutschpflicht" würde manchen Eltern die Verständigung mit ihrem Kind in der Muttersprache verboten. Jede Ablehnung der Muttersprache könne bei den Kindern zu Irritation und späteren Identitätskonflikten führen.
Andere Sprachen sind keine Seltenheit
117 Nationalitäten wohnen und arbeiten in Kaufbeuren. In die städtischen Einrichtungen kommen auch Eltern, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, so der Leiter des Jugend- und Familienreferats. Das stelle die Mitarbeiter*innen vor gewisse Schwierigkeiten, etwa in Anmelde - oder Entwicklungsgesprächen. Sie kommen dort schnell an ihre sprachlichen Grenzen. Deshalb brauchen die Pädagogen*innen zuverlässige Unterstützung, die sie durch Mitarbeiter*innen anderer Herkunft erhalten: Kollegen*innen, die selbst eingewandert sind und außer Deutsch eine andere Sprache beherrschen. Diese Pädagogen*innen erklären den Eltern dann die Struktur der pädagogischen Arbeit in den Kindergärten. Außerdem sind sie die ersten Ansprechpartner für die neuen Kinder, so Riermeier weiter. Die muttersprachliche Unterstützung ist am Anfang oft hilfreich. Fühlt sich das Kind im Kindergarten einmal sicher, wechseln die Mitarbeiter*innen in die Deutsche Sprache. Sie unterstützen das Kind dann in seinem Lernprozess.
Lösung: Eltern direkt ansprechen
Laut Riermeier komme es in den Kindergärten oft vor, dass sich Eltern anderer Herkunft mit Eltern der gleichen Herkunft in deren Muttersprache unterhalten. Ein Deutscher fühle sich dort womöglich ausgeschlossen. Doch was dagegen hilft, ist kein Aushang der "Deutschpflicht", so der Referatsleiter. "Am wirksamsten ist in solchen Fällen eine persönliche Ansprache, die in konkreten Situationen den Eltern verständlich wird." Er wünscht sich hier mehr Verständnis von den Eltern und weist darauf hin, dass alle Menschen im Kindergarten nach Möglichkeit Deutsch sprechen sollen. Riermeier ist der Meinung, dass eine Pflicht oder ein Gesetz nicht die Lernbereitschaft der Kinder steigert, Deutsch zu lernen, sondern die neuen jungen Kaufbeurer eher davor abschreckt. Man sollte die Kinder also vielmehr aktiv in Gruppen integrieren und ihnen Freiräume geben. Damit sollen sie ihre Kultur und Sprache nicht verleugnen müssen. Denn die Muttersprache sei für jeden Menschen wichtig. Sie dürfe durch ein Verbot nicht abgewertet werden. Riermeier unterstreicht: "Uns ist es wichtig, wertschätzend einer fremden Kultur und Sprache zu begegnen." In unserer Gesellschaft gebe es Sprachen, die geschätzt werden und Sprachen, deren Verwendung nicht gewünscht sei, weil sie als problematisch gelten, erklärt der Referatsleiter weiter. Kinder würden die Bewertung ihrer Muttersprache schnell merken.
Abwechslungsreiche Morgenkreise
Um die Kinder in die Gruppe zu integrieren, gehören Lieder, Abzählferse oder Zahlen aus anderen Ländern in den Morgenkreisen der städtischen Kindergärten dazu. Die Verantwortlichen organisieren auch ganze Wochen zum Kennenlernen anderer Nationen. Die Pädagogen*innen entwickeln immer wieder neue Methoden und Ideen, um die Kinder in ihrem Sprachprozess zu bestärken, so Rieremeier. "Das alles, ohne Verbot, erzeugt Neugierde auf Neues, schafft Verständnis für andere und lässt eine Interessensgemeinschaft bilden."
Sprachförderung durch "Sprach-Kita"
Viele Einrichtungen der Stadt Kaufbeuren nehmen aber auch am Bundesprogramm "Sprach-Kita" teil. Dabei unterstützt eine zusätzliche Sprachkraft das Team. Sie bietet zugeschnittene Angebote für kleine Personengruppen an und begleitet die Mitarbeiter*innen rund um Fragen der Kultur- und Familiendiversität.