Skandal um den Rappenalpbach bei Oberstdorf: Auf einer Strecke von über 1,5 Kilometer wurde der Rappenalpbach nach einem Starkregen begradigt - und zwar illegal. Dadurch ging unter anderem wertvoller Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren, und das im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen. Nachdem das Bayerische Verwaltungsgericht in Augsburg diese Woche gegen die Alpgenossenschaft entschieden hat, hat das Landratsamt Oberallgäu jetzt mitgeteilt, wie man weiter vorgehen werde. Darüber hinaus schildert das Landratsamt die Vorkommnisse am Rappenalpbach nochmal detailliert aus seiner Sicht. Unter anderem wirft das Landratsamt der Alpgenossenschaft vor, sich nicht an wichtige Vereinbarungen gehalten zu haben.
So will das Landratsamt jetzt weiter vorgehen:
- Das Landratsamt will die mit Bescheid vom 22.11.2022 angeordneten Sofortmaßnahmen auf Kosten der Alpgenossenschaft beauftragen.
- Die Vermessung zur Vorbereitung einer Sanierungsplanung ist bereits beauftragt und wird in Kürze stattfinden.
- Sobald die Vermessung abgeschlossen ist, will das Landratsamt die Dämme punktuell öffnen lassen. Unternehmen sind demnach bereits angefragt. Das Landratsamt geht "davon aus, dass wir in Kürze Angebote erhalten", heißt es in der Mitteilung.
- Wenn die Dämme punktuell geöffnet werden, erfolgt dies in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt und Vertretern der höheren und unteren Naturschutzbehörde.
- Einen konkreten Termin gibt es momentan noch nicht, er hängt auch vom Wetter ab.
- Kurzfristig will das Landratsamt noch gewässerökologische Untersuchungen durchführen lassen.
- "Langfristig muss ein detailliertes Sanierungskonzept von einem fachkundigen Büro erstellt und dieses dann auch umgesetzt werden", so das Landratsamt.
Abriss der Ereignisse - So schildert das Landratsamt die Vorkommnisse am Rappenalpbach im Wortlaut:
Am 19.08.2022 gab es in Oberstdorf ein Starkregenereignis. Folge dieses Starkregenereignisses war, dass Alpflächen neben dem Rappenalpbach zum Teil meterhoch mit Kies und Geröll überschüttet wurden und die Ufer des Rappenalpbachs stellenweise erodierten und abbrachen.Am 30.08.2022 bat der Vorstand der Alpgenossenschaft kurzfristig um ein Beratungsgespräch vor Ort mit der unteren Naturschutzbehörde. Bei diesem Termin sollten die Alpflächen der Alpgenossenschaft neben dem Rappenalpbach wegen der Folgen des Unwetters begutachtet werden. Ziel war es, über punktuelle Maßnahmen zur Beseitigung der Unwetterschäden zu sprechen. Außer dieser Bitte für ein Beratungsgespräch gab es keinerlei schriftliche Anfragen oder Genehmigungsanträge. Ein Genehmigungsantrag für einen Gewässerausbau umfasst in der Regel mehrere Aktenordner an Unterlagen (u.a. detaillierte Planunterlagen, naturschutzfachliche, artenschutzrechtliche und gewässerökologische Gutachten, FFH-Verträglichkeitsprüfung). Im Rahmen des Ortstermins, der noch am gleichen Tag stattfand, wurden punktuelle Unterhaltungsmaßnahmen im Bereich von vier Stellen des Gewässerverlaufs besprochen. Es handelte sich um solche Stellen, an denen die angrenzenden Alpflächen durch das Starkregenregenereignis vom 19.08.2022 zum Teil meterhoch überschüttet waren, sowie um den Bereich der Brücke nahe dem Eselweg. Die punktuellen Unterhaltungsmaßnahmen sollten weniger als eine Woche Zeit in Anspruch nehmen. Zudem sollte die Alpgenossenschaft nach spätestens 2 Tagen Fotos von den Arbeiten vorlegen. Über dieses Gespräch wurde im Nachgang ein Aktenvermerk gefertigt, welcher der Alpgenossenschaft per E-Mail übermittelt wurde. Gewässerunterhaltungsmaßnahmen bedürfen keiner wasserrechtlichen Genehmigungen. Die Auswirkungen auf die FFH-Lebensraumtypen wurden berücksichtigt. Bei den vor Ort besprochenen, punktuellen Unterhaltungsmaßnahmen waren keine erheblichen Auswirkungen auf die FFH-Lebensraumtypen zu erwarten.Am 05.09.2022 erfolgte eine telefonische Nachfrage bei der Alpgenossenschaft, da von der Alpgenossenschaft bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Fotos vorgelegt wurden. Die Alpgenossenschaft teilte in dem Telefonat mit, dass mit den Maßnahmen noch nicht begonnen werden konnte und sich der Beginn verzögere, da der Bagger noch anderweitig eingesetzt werde.Am 06.10.2022 übersandte die Alpgenossenschaft dann insgesamt acht Fotos. Vier dieser Fotos zeigten massive Veränderungen, den anderen vier Fotos waren kaum Veränderungen zu entnehmen. Am selben Tag informierte ein Mitarbeiter einer anderen Behörde die untere Naturschutzbehörde über die Arbeiten am Rappenalpbach. Im Rahmen des späteren Klageverfahrens stellte sich heraus, dass mit den Arbeiten bereits am 26.09.2022 begonnen wurde. Die Vereinbarung, nach spätestens 2 Tagen Bilder der Arbeiten zu übermitteln, hat die Alpgenossenschaft nicht eingehalten.Noch am 06.10.2022 wurde die Alpgenossenschaft aufgrund der übersandten Bilder telefonisch aufgefordert, die Arbeiten sofort einzustellen. Mit den vor Ort besprochenen Unterhaltungsmaßnahmen hatten die auf den Bildern erkennbaren Arbeiten nichts zu tun. Der Vorstand der Alpgenossenschaft sagte zu, den Bagger aus dem Gebiet raus zu holen. In dem Telefonat wurde der Alpgenossenschaft des Weiteren mitgeteilt, dass für die Abklärung des weiteren Vorgehens ein Ortstermin unumgänglich ist. Bei dem Telefonat waren zwei Mitarbeiter des Landratsamts im Raum. Eine Einstellungsverfügung bedarf nicht der Schriftform, sondern ist auch mündlich oder telefonisch verbindlich.Die Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde informierten nach der Einstellung der Arbeiten den Bereich Wasserrecht, da auf den Bildern erkennbar war, dass bei den massiven Veränderungen auch wasserrechtliche Belange in erheblichem Umfang betroffen waren. Das Landratsamt Oberallgäu nahm Kontakt mit dem Wasserwirtschaftsamt Kempten und der Gemeinde Oberstdorf auf. In der Folge wurde ein gemeinsamer Ortstermin mit Vertretern des Wasserwirtschaftsamts Kempten, dem Landratsamt Oberallgäu (Wasserrecht und Naturschutz), dem Markt Oberstdorf sowie dem Vorstand der Alpgenossenschaft organisiert.Bei dem Ortstermin am 25.10.2022 – an dem insgesamt neun Behördenvertreter teilnahmen – musste festgestellt werden, dass die Alpgenossenschaft die Arbeiten am Rappenalpbach trotz der telefonischen Einstellungen vom 06.10.2022 fortgesetzt hat. Beim Eintreffen der Behördenvertreter war die Alpgenossenschaft gerade dabei, einen Hubschrauberlandeplatz neben dem Rappenalpbach zu befestigen. Dies wurde vom Landratsamt mangels Genehmigung sofort unterbunden. Im Verlauf des Ortstermins gab der Vorstand der Alpgenossenschaft zu, dass die Arbeiten in diesem Umfang nicht abgestimmt waren.Am 27.10.2022 wurde Frau Landrätin Baier-Müller über die Feststellungen des Ortstermins vom 25.10.2022 informiert. Es war zu diesem Zeitpunkt klar, dass die massiven Veränderungen so nicht bleiben können, sondern umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind.Mit Schreiben vom 31.10.2022 wurde der Alpgenossenschaft mitgeteilt, dass eine annähernde Wiederherstellung der ursprünglichen Gewässerstruktur erforderlich ist. Das Schreiben kam später mit dem Hinweis "Annahme verweigert" zurück.Mit der Regierung von Schwaben wurde am 04.11.2022 abgestimmt, dass möglichst rasch eine detaillierte Schadensaufnahme vor allem im Hinblick auf die Gewässerökologie und die FFH-Lebensraumtypen erforderlich ist, um das weitere Vorgehen und konkrete Maßnahmen zu bestimmen.Nach der Schadensaufnahme durch das Wasserwirtschaftsamt Kempten sowie der höheren und unteren Naturschutzbehörde stand fest, dass neben umfangreichen, langfristigen Sanierungsmaßnahmen auch kurzfristige Sofortmaßnahmen noch vor dem Wintereinbruch erforderlich sind. Diese sind darauf zurückzuführen, dass durch die Kanalisierung des Rappenalpbachs auf 1,6 km Länge in nicht unerheblichem Umfang Retentionsraum verloren ging.Das Wasserwirtschaftsamt Kempten hatte die Sofortmaßnahmen in seiner Stellungnahme vom 21.11.2022 konkretisiert und umfassend begründet. Bei den Sofortmaßnahmen handelt es sich zum einen um eine Vermessung des Gewässerbettes, die Grundlage für eine Sanierungsplanung im kommenden Frühjahr sein soll. Zum anderen ist die punktuelle Öffnung der geschaffenen Dämme erforderlich, um die Hochwassergefahr bei kommenden Starkregenereignissen und der Schneeschmelze im Frühjahr zu reduzieren.Das Landratsamt Oberallgäu hat die Alpgenossenschaft mit Bescheid vom 22.11.2022 dazu verpflichtet, diese Sofortmaßnahmen bis zum 29.11.2022 umzusetzen.
Fall Rappenalpbach - Verwaltungsgericht Augsburg fällt "richtungsweisende" Entscheidung