Lehrer: 130 Jugendliche sitzen teilweise die Zeit in Klassen ab - Berufsschule hofft auf Hilfe Westallgäu/Lindau (ee/pem). Gerd Buchberger malt kein rosiges Bild: 130 Jugendliche sitzen nach seinen Zahlen in der Berufsschule ohne Aussicht auf Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Junge Leute, die zudem oft einen ganzen Packen Probleme mit sich herumtragen. Der Berufsschullehrer und seine Kollegen hoffen dringend auf Hilfe.
'Lindau steht relativ günstig da', hatte der Pressesprecher der Arbeitsagentur, Karl Pagany, Ende Oktober die Lage auf dem Lehrstellenmarkt beurteilt. Denn nach Agenturzahlen hätten nur 17 Jugendliche im Landkreis Lindau keine Ausbildungsstelle bekommen. Der Berufsschullehrer Gerd Buchberger beantwortet diese Aussage vier Wochen später mit Kopfschütteln: 130 junge Burschen und Mädchen ohne berufliche Perspektiven sitzen nach seinen Worten in der Berufschule mehr oder weniger interessiert ihre Zeit ab. In früheren Jahren seien jene Jugendlichen, die nach der Schulzeit weder Lehrstelle noch Arbeitsplatz haben, auf die einzelnen Fachklassen verteilt worden. Jetzt sind es so viele, 'jetzt müssen wir sie in eigenen Klassen beschulen'. Eine Hand voll Jugendlicher schaffte es, in die 'Einstiegsqualifizierung für Jugendliche' (EQJ) zu kommen. Die anderen erfüllen in einem neunwöchigen Modul je ein Jahr Berufsschulpflicht. Mindestens 25 Jugendliche sitzen in einer Klasse, 'da sind besondere Projekte gar nicht möglich'. Erschwerend kommt laut Buchberger hinzu, dass sich viele dieser Jugendlichen für gar nichts interessieren: Mit einem schlechten oder gar keinem Hauptschulabschluss in der Tasche, ist es ihnen wie auch ihren Eltern vielfach egal, ob oder wann sie zum Berufsschulunterricht erscheinen. Buchberger hofft dringend auf Hilfe: 'Wir sind Fachlehrer und nicht dafür ausgebildet, mit diesen mit Problemen belasteten Jugendlichen zu arbeiten.' Wo sich Verhaltens- und Höflichkeitsdefizite häufen, sind nach seiner Ansicht ausgebildete Sozialpädagogen gefragt. Einige dieser Schüler landen schließlich bei Stefanie Kruse: Sie leitet als Nachfolgerin von Susanne Ross das Kreisjugendringprojekt 'Fit for Job', das auch der Landkreis mitfinanziert. 87 Jugendliche haben sich seit August bei ihr gemeldet, um 42 davon musste sich Kruse öfter kümmern. Für den einen oder anderen fand sich eine (manchmal auch nur vorübergehende) Lösung: Kruses Momentaufnahme sieht 21 an einem Ausbildungsplatz, acht aber nur bei Hilfsjobs, sechs sitzen wieder in der Schule, zwei wollen die Einstiegsqualifizierung schaffen, fünf über die Hartz-IV-Arge den qualifizierenden Hauptschulabschluss nachholen. Immerhin 28 begleitet die Pädagogin bis heute, weil sich noch keine Perspektiven für sie aufgetan haben. 'Das sind Jugendliche, die schon ein bis zwei Jahre aus der Schule raus sind, schon einiges an Maßnahmen durchlaufen oder abgebrochen haben, die oft schon Kunden meiner Vorgängerin waren', schilderte Kruse im Jugendhilfeausschuss. Da habe sich einiges aufgestaut: Einen geregelten Tagesablauf kennen manche nicht mehr. Die Lust auf eine Lehrstelle sei diesen jungen Leuten längst abhanden gekommen. Vielmehr wollten sie nur Jobs, damit sie schnell an Geld kommen, um ihre Freizeit finanzieren zu können. Und: Der Bedarf steigt. 'Es gibt viele Anfragen an 'Fit for Job', manchmal auch von Eltern, aber mit 28 ist meine Obergrenze errreicht', sagt die Pädagogin.