Oberostendorf | Von Marcus Golling: Grünende Wüste

27. Dezember 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
marcus golling

Entwicklung - Dieter Schütz engagiert sich als Freiwilliger bei Sekem, einer ägyptischen Initiative für ein nachhaltigeres Wirtschaften

Als Dieter Schütz und seine Frau Maria am Tag nach ihrer Ankunft im ägyptischen Sekem den Ort erstmals bei Tageslicht sahen, war ihr erster Gedanke: "Was wollen wir hier eigentlich?" Zu vollkommen, zu paradiesisch wirkte die grüne Oase in der Wüste auf das pensionierte Lehrer-Ehepaar aus , das gekommen war, um zu helfen.

Sekem ist ein besonderer Ort. Ibrahim Abouleish (siehe Infokasten) verwirklichte hier seine Vision einer besseren Welt: Rund 2000 Menschen leben hier im Einklang mit der Natur, erzeugen biologisch-dynamische Lebensmittel, organische Textilien und pflanzliche Heilmittel. Die Gewinne werden re- investiert in Bildung, Kultur, medizinische Versorgung und soziale Einrichtungen. Mit Initiativen für Hygiene oder gegen die Beschneidung von Mädchen setzt sich Sekem ("Lebenskraft") auch für den sozialen Fortschritt in dem armen Land ein. Abouleish, geprägt von der Anthroposophie Rudolf Steiners, setzte der Not ein Konzept aus Arbeit, Sozialem und Kultur entgegen, das zwar manchmal ein bisschen wie Waldorfschule aussieht (inklusive Eurythmie, morgendlichen Kreisen und abgerundeten

Gebäuden), aber ganz konkrete Folgen hatte und hat: Immer mehr Betriebe in Ägypten - bereits rund 10000 - schließen sich der Idee einer nachhaltigen Produktion an.

Der ehemalige Hauptschullehrer Dieter Schütz suchte nach seiner Pensionierung eine neue Aufgabe - und fand sie bei Sekem. Im Radio hatten er und seine Frau von dem Projekt erfahren. Für zunächst vier Wochen reiste er Anfang November in den Ort 60 Kilometer nordöstlich von Kairo, seine Mission: bei der Mechanikerausbildung helfen. Kaum angekommen, landete er bei den Elektrikern. Da kam es ihm zupass, dass er vor seinem Studium als Feinmechaniker und Elektroniker gearbeitet hatte. Er sollte, wie die anderen Europäer in Sekem, in "dienender Funktion" aushelfen.

Dieter Schütz Angst, als "Klugscheißer" dazustehen, erwies sich als unbegründet, denn nicht an allen Stellen herrschten paradiesische Verhältnisse: Es fehlte an Werkzeugen, praktischer Ausbildung der Lehrer und - in erster Linie - an Organisation. "An das Inshallah muss man sich eben gewöhnen", sagt er im Rückblick. Das arabische "Inshallah" ("So Gott will") ist manchmal auch eine Ausrede für Schlendrian. Doch Schütz war erfolgreich, besorgte neue Werkzeuge, stieß neue Projekte an. Ganz nach dem Sekem-Motto "Lernend arbeiten und arbeitend lernen". Seine mitgereiste Frau freundete sich unterdessen mit den Kindern in einer Einrichtung für geistig Behinderte an.

Sekem lebt von Einnahmen, Zuschüssen und Spenden. "Da sind keine Fantasten am Werk", sagt Schütz. Es werde wirtschaftlich gedacht, und doch fehle immer noch Geld. Deswegen will er jetzt werben für die Idee, die er - obschon selbst kein Anthroposoph - auch für Deutschland vorbildlich findet. Bei Vorträgen will der 66-jährige Schütz Menschen gewinnen und auch mal ein "Körbchen aufstellen". Die Begeisterung ist ihm anzumerken, wenn er von Sekem erzählt. Für Ende Januar ist schon der nächste Ägypten-Flug gebucht.

Interessenten können sich per E-Mail an dieterschuetz@online.de wenden