Buchloe | Von Eva Büchele: Es kostet 1,50 Euro und Überwindung

24. Dezember 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Sozialzentrum - In und um Buchloe gibt es zahlreiche bedürftige Menschen - Bei der Tafel bekommen sie Lebensmittel, in der Kleiderkammer können sie besonders günstig einkaufen

"Erst vor Kurzem haben wir noch mit dem Kindergarten Lebensmittel für die r Tafel gespendet. Jetzt kommen wir selbst hier her", erzählt Petra O. (Namen im Folgenden teils von der Redaktion geändert). Sie lässt sich gerade von Anton Kögel einen Tafel-Ausweis ausstellen. Unsicher greift sie nach der Hand ihres kleinen Sohnes. Sie besucht heute zum ersten Mal die Einrichtung am Heideweg und fühlt sich nicht ganz wohl dabei. "Es ist ein komisches Gefühl. Aber um im Supermarkt einzukaufen, reicht auf Dauer das Geld nicht." Abzüglich der Miete bleiben ihr und ihrem fünfjährigen Sohn noch rund 300 Euro im Monat zum Leben.

Tanja Z., eine etwas blasse junge Frau mit dunklen Augenringen, kennt die Problematik. "Manche glauben, zur Tafel kommen Leute, die zu Hause einen Flachbildschirm und einen Porsche stehen haben und keine Lust zum Arbeiten haben", sagt die Alleinerziehende. Wie viel Armut in und um Buchloe herrsche, könne sich offenbar nicht jeder vorstellen. Tanja Z. hat zwei Kinder - der ältere Junge ist behindert. Der Vater hat die Familie verlassen und kann für seine Kinder nicht zahlen. "Für meinen Sohn ist es besonders schwer, ohne Vater aufzuwachsen", sagt sie traurig. Die Frau neben ihr nimmt sie tröstend in den Arm.

"Wir verteilen nicht nur Lebensmittel, sondern sind auch erste Anlaufstelle bei Problemen", sagt Tafel-Initiatorin Hella Mehl. Sie kennt fast alle Bedürftigen, die regelmäßig kommen, ebenso wie Mitinitiator Kögel: "Von manchen weiß ich die halbe Lebensgeschichte. Das sind oft bewegende Schicksale."

Zeit zum Ratschen und Scherzen

Trotzdem herrscht bei der Tafel überwiegend fröhliche Stimmung. Jeden Donnerstag ab 10 Uhr kommen die ersten ehrenamtlichen Helfer, wenn die Ware angeliefert wird. Ab 12.30 Uhr versammeln sich die ersten "Kunden" vor der Tür - obwohl die Lebensmittel erst ab 15 Uhr ausgegeben werden.

Mit ihren Rucksäcken, Kisten oder Trolleys warten sie geduldig, bis aufgesperrt wird, ratschen, bis sie ihren Ausweis vorzeigen dürfen, und scherzen mit den Tafelmitarbeitern, bevor sie mit gefüllten Taschen wieder gehen.

Petra O., die nun ihren Tafel-Ausweis erhalten hat, schleppt ihre Lebensmittel nach draußen. "So schlimm war es gar nicht", resümiert sie. Es habe sie jedoch große Überwindung gekostet, erstmals hierher zu kommen. Jetzt möchte sie noch einen Abstecher in die Kleiderkammer nebenan machen. "Ich kann meinen Sohn ja nicht mit Hochwasserhosen in den Kindergarten schicken", sagt sie.

"Viele unserer Kunden haben einen Tafel-Ausweis", sagt Brigitte Härtel, die gemeinsam mit Erna Kögl die Buchloer Kleiderkammer ins Leben gerufen hat. Generell sei die Einrichtung aber für jeden offen. Eine Kundin, die gerade eine Jacke anprobiert, verrät: "Der Laden hier ist ein Geheimtipp - quasi DER Secondhand-Laden in Buchloe. Ich habe hier schon echte Schmuckstücke gefunden." Die Kleider seien alle sehr gut erhalten. "Manche sind sogar noch neu", fügt Härtel hinzu.

Eine kuschlige Daunenjacke

Auch Tanja Z. hat nach dem Besuch der Tafel noch Lust auf einen Einkaufsbummel in der Kleiderkammer.

Sie sucht einen Mantel, schlendert um die eng zusammengerückten Kleiderständer, an denen Jacken, Hosen, Schneeanzüge, aber auch schicke Kostüme, Röcke oder Trachtenmoden hängen. Tanjas Freundin ist bereits fündig geworden und schlüpft in eine kuschlige Daunenjacke: "Bisher hatte ich immer nur eine Strickjacke an. Nicht besonders praktisch bei Regen", sagt sie.

Auch Tanja Z. entdeckt nach einigem Suchen das Richtige: einen hellgrauen, modischen Kurzmantel. Der muss es sein - mit Tafel-Ausweis für fünf Euro, ohne hätte er 15 Euro gekostet. Einen passenden Hut bekommt sie gratis obendrauf. Ihr blasses Gesicht hellt sich auf und sie legt lachend den Arm um ihre Freundin. Die beiden gehen fröhlich an dem Regal mit Schlittschuhen vorbei nach draußen.

Petra O. hat für ihren fünfjährigen Buben mittlerweile eine Hose gefunden. "Ab Februar habe ich wieder einen Job, dann können wir uns hoffentlich wieder mehr leisten", sagt sie - nur: "Wie ich Arbeit und Kind unter einen Hut bringen soll, weiß ich auch noch nicht genau."