Marktoberdorf/Ostallgäu (dec). - Hatte ein Ostallgäuer bisher Fragen zum Kindergeld, wählte er eine Kemptener Telefonnummer und bekam Hilfe. Seit kurzem ist das anders. Die Familienkasse ist nur noch über die Hotline 0180/546337 erreichbar. An deren Ende befindet sich ein Call-Center in Neubrandenburg. 'Dort kann einem aber keiner helfen, wenn man überhaupt jemanden erreicht', klagt Elfriede Keller aus Obergünzburg. Die Gründe dafür sind laut Jürgen Traut, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Kempten, Umstrukturierung und Personalmangel bei den Familienkassen. Dazu überfluten Anträge für den Kindergeldzuschlag, der im Zuge der Hartz-IV-Reform eingeführt wurde, die Kassen. Seit kurzem unterstehen Familienkassen nicht mehr lokalen Arbeitsämtern, sondern sind ein eigener Geschäftsstrang der Agenturen für Arbeit. Im Rahmen dieser Umstrukturierung fusionierten die Kassen deutschlandweit. Auch die in Memmingen und Weilheim wurden aufgelöst und nach Kempten verlagert. 'Wir haben jetzt ein Riesen-Zuständigkeitsgebiet von Mittenwald bis Lindau und Oberstdorf bis Günzburg', sagt Traut. Er weiß: 'Ein Garmischer kann nun nicht mehr schnell zu seiner Familienkasse fahren. Vieles läuft nur noch über Telefon und schriftlich.'Glaubt besagter Garmischer aber, er landet bei einem Anruf auf der neuen, offiziellen Familienkassen-Hotline im Allgäu, wird er sich wie Elfriede Keller und laut Traut viele andere wundern: Sein Gesprächspartner nämlich sitzt in einem Call-Center in Neubrandenburg. 'Das gehört zur neuen Geschäftspolitik und soll in regionalen Stellen ungestörtes Arbeiten ermöglichen. Viele Dienstleister arbeiten so', sagt Traut. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, darauf lässt er die Antwort offen.
Call-Center kann selten helfen Momentan funktioniert die Umstrukturierung definitiv nicht wie sie soll. Das liege vor allem am Personalmangel sowohl in der Kemptener Zentrale als auch im Call-Center. Elfriede Keller wartet deswegen seit Juni auf ihr Kindergeld. Viele Male habe sie versucht Kontakt mit der zuständigen Stelle aufzunehmen, erzählt sie. In Neubrandenburg bekam sie 'irgendwann eine nette Dame an den Apparat. Aber die konnte nicht helfen.' Traut kennt das Problem. 'Die Mitarbeiter im Call-Center hören sich Anliegen an, bearbeiten aber keine einzelnen Probleme', sagt er. Diese übermitteln sie an die regionalen Kassen, die sich darum kümmern. Das jedoch ist im Fall von Elfriede Keller bisher nicht passiert. Dem Marktoberdorfer Ernst Höfler erging es besser. Um einen Fehler auf seinem Kindergeldbescheid zu beheben, rief er die Service-Nummer an. 'Dort habe ich niemanden erreicht. Also habe ich ein Fax nach Kempten geschickt mit der Bitte um Rückruf', so der Familienvater. Den bekam er und sein Problem wurde gelöst. 'Aber viele, gerade Sozialschwache, die auf das Kindergeld angewiesen sind, haben keine Möglichkeit zu faxen', meint er. Das Call-Center verunsichert seiner Ansicht nach und 'vermittelt das Gefühl, die Kassen scheuen persönliche Kontakte.'Elfriede Keller sitzt nach wie vor auf ihrem Problem. Sie richtete eine Beschwerde an die Zentrale der Familienkasse in Nürnberg. Antwort bekam sie nicht. Sie versuchte es unter den Durchwahlnummern, die die Zentrale in Kempten laut interner Regelung raus gibt, wenn jemand unzählige Male vergeblich probierte, etwas über das Call-Center zu erreichen. Doch auch dort meldete sich niemand. 'Das ist eine Unverschämtheit! Der Staat will, dass wir Kinder bekommen und alles pünktlich zahlen. Im Gegenzug lässt er sich aber Zeit und enttäuscht mit falschen Versprechen', entrüstet sich die vierfache Mutter. 'Die Situation ist sehr unbefriedigend', so Traut. Um das Problem zu beheben, sei die Zentrale in Kempten personell aufgestockt worden. Die neuen Angestellten müssten sich aber erst einarbeiten, bevor man Rückstände abbauen könne und die Familienkassen wieder leichter erreichbar seien. Das Gleiche soll im Call-Center in Neubrandenburg passieren.