Der Klimawandel und die damit einhergehende Erderwärmung haben sich mittlerweile auf der ganzen Welt zu einem enormen Problem entwickelt. Die Auswirkungen der Klimakrise sind weltweit spürbar. Meldungen von extremen Ereignissen wie heftige Unwetter, Überschwemmungen, Hitzewellen, gigantische Waldbrände, Schlammlawinen oder zurückgehende Gletscher kommen aus allen Ecken des Planeten. Auch im Allgäu häufen sich solche Berichte. Für welche Ereignisse die Klimakrise allein 2022 im Allgäu mitverantwortlich ist, darum geht es in diesem etwas anderen Jahresrückblick.
Auswirkungen des Klimawandels nehmen trotz der guten Lage des Allgäus zu
Vorab gibt es dazu zu sagen: Wir Allgäuer leben von der Lage her wegen des gemäßigten Klimas in unseren Breitengraden noch recht unberührt vom Klimawandel. Trotzdem ist die Klimakrise auch hier schon spürbar. Auswirkungen des Klimawandels im Allgäu waren Thomas Frey, dem Regionalreferenten des BUND Naturschutz für Allgäu und Schwaben, zufolge im Jahr 2022 "definitiv" deutlich zu sehen und auch zu spüren. Die Folgen der Klimakrise zeigen sich in den Wäldern,den Mooren, bei den Wetterereignissen, beim Wasser und in den Gefahren, die in Form von Trockenheit, Bränden, Überschwemmungen und Ähnlichem dadurch entstehen. Dabei hängt alles miteinander zusammen.
Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 40 Grad im Sommer
Was in diesem Jahr europaweit und auch in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt hat, sind die extrem warmen Temperaturen und die Hitze. Laut Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes war das bisherige Jahr der wärmste Zeitraum seit 1881. In vielen vor allem südlichen Ländern in Europa herrschten verheerende Temperaturen von teils über 40 Grad. In Deutschland kratzte das Thermometer des Öfteren an der 40-Grad-Marke und auch im Allgäu war es mit Temperaturen bis zu 35 Grad ungewöhnlich heiß.
Das Wetter im Allgäu: Angenehme Sommertage verwandeln sich in lebensgefährliche Hitze
Dass Hitzetage zunehmen und auch noch zunehmen werden, sehe man laut Frey seit Jahren. Dem BUND-Regionalreferenten nach ist das ein klares statistisches Zeichen für den Klimawandel. Die Hitze und die Wärme schaffen dabei große Probleme für Mensch, Tier und Natur. Die Wärme ist laut Frey schwierig für viele Fische, aber auch beispielsweise für Gletscher, zudem ist die Hitze
ein Problem für die Gesundheit der Menschen
, aber auch für Gesundheit für Wälder. Sie führt zu Bränden, extremen Unwettern und natürlich auch zu Trockenheit.
Langanhaltende Trockenheit und Wasserprobleme im Allgäu 2022
Auch im Allgäu gab es in diesem Jahr Perioden mit langanhaltender Trockenheit. Und das, obwohl das Allgäu eigentlich im deutschlandweiten Vergleich eine recht niederschlagsreiche Region ist. Das liegt auch an der Nähe zu den Alpen. "Was die Niederschläge betrifft, leben wir hier noch im gelobten Land", sagt Frey. Kollegen aus Unterfranken erzählen ihm da von ganz anderen Problemen "Da geht es wirklich um den Kampf ums Wasser", meint er. So weit seien wir aktuell im Allgäu noch nicht, doch es könne auch schnell gehen, dass es dann, wie beispielsweise in Franken, zu Konkurrenz um das Wasserangebot kommt. Während der Hitzewelle im Juli gab es einige Gemeinden im Allgäu, in denen der Grundwasserpegel einen kritischen Bereich erreichte. Dadurch drohten den Gemeinden ernste Trinkwasserprobleme. Das Wasserwirtschaftsamt Kempten appellierte damals auch an die Bevölkerung, dringend Wasser zu sparen.
Einigen Allgäuer Gemeinden drohen Trinkwasserprobleme
Allgemein war der Grundwasserspiegel 2022 an vielen Orten im Allgäu bedenklich niedrig. Schon Mitte März waren die Grundwasserspeicher in vielen Gemeinden und Städten erschöpft. Der Grund dafür war, dass durch die wärmeren Temperaturen, die die Klimakrise mit sich bringt, schon im Frühling Trockenheit herrschte, weil es im Winter wenig Schnee gab.
Trockenheit im Allgäu: Grundwasserspiegel ist mancherorts bedenklich niedrig
"Man muss schon ein Auge drauf werfen und man muss mehr Risikovorsorge treffen. Man braucht beispielsweise größere Reserven bei den Brunnen, damit bei länger anhaltender Trockenheit noch genug Trinkwasser da ist", sagt Frey. Auf jeden Fall werden laut Frey Ereignisse wie extreme Trockenheit, sinkende Grundwasserspiegel und als Folge weniger Trinkwasser für alle in den nächsten Jahren "mit Sicherheit" mehr werden.
Schwere Gewitter, starke Regenfälle und Unwetter 2022
Doch mit der extremen Hitze geht nicht nur Trockenheit, sondern auch starke Regenfälle und heftige Unwetterereignisse einher. Das passt laut Frey perfekt zusammen: Denn extreme Regenfälle und Unwetter haben mit der höheren Temperatur zu tun. Umso mehr Hitzetage es gibt und umso wärmer die Luft ist, desto mehr Wasser kann sie aufnehmen. Die Folge sind heftigere Starkregen-Ereignisse. Genau das war im Allgäu dieses Jahr im Juli der Fall. Am 19. August gab der Deutsche Wetterdienst nach wochenlanger Hitze eineUnwetterwarnung der höchsten Stufe heraus und das Bayerische Landesamt brachte eine Vorwarnung für Hochwasser. Schon am nächsten Tag standen in Immenstadt Felder und Keller unter Wasser.
Felder bei Immenstadt stehen unter Wasser - Hochwasserschutz greift
Es hat zwar, wie Frey sagt, immer schon Starkniederschlags-Ereignisse und auch Hitzetage gegeben, aber die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas eintritt, ist inzwischen höher und steigt weiter.
Extreme Wettereignisse führen zu hohen Sachschäden und Lebensgefahr
Die extremen Wetterereignisse traten auch im Allgäu das ganze Jahr über immer wieder auf: Im südlichen Oberallgäu sorgten schwere Gewitter schon Ende Juni für immense Schäden. Oberstdorf war hier am schlimmsten betroffen.
Schwere Gewitter im Allgäu - Oberstdorf am heftigsten getroffen
Und schon davor lösten am 5. Mai Hagel
und im Oberallgäu Überschwemmungen in Unterführungen und andere Probleme aus.
Hagel auf der A7 - Überschwemmte Unterführung in Sonthofen
Es ist deutlich, dass aus den starken Unwettern, die der Klimawandel hervorruft, nicht nur Sachschäden, sondern auch Risiken in Form von Naturgefahren für den Menschen resultieren. Ebenfalls am 20. August diesen Jahres , nach der langen Trockenheit und Hitze, kam es in Tiefenbach bei Oberstdorf zu einem Murenabgang. Dort löste sich eine 10 Meter breite und 20 Meter hohe Mure:
Murenabgang bei Tiefenbach überflutet Straße, Bach und Parkplatz!
Dass keine Menschen verletzt wurden, ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass die Mure nachts abging.
Wälder schützen vor Muren, Lawinen und Hochwasser
Solche Ereignisse werden in ihrer Intensität verstärkt, wenn es weniger Schutzwälder gibt. Muren und Lawinen gehen so leichter ab, weil sie keine natürlichen Hindernisse haben, und Hochwasserereignisse treten leichter ein, weil der Wald auf den Wasserabfluss verzögernd und auf den Wasserhaushalt insgesamt ausgleichend wirkt. Bäume fangen in ihren Kronen die Niederschläge auf, die dort teilweise verdunsten und so gar nicht erst auf den Boden gelangen. Auch die geringere Bodenverdichtung schützt, weil Regen schneller einsickert. Ebenso wie der hohe Wasserverbrauch des Waldes, der das Wasser aus dem Boden pumpt. So ist bei Regen normalerweise immer genügend Speicher da. Um die Wälder steht es laut Frey, was die statistische Waldfläche angeht, gar nicht mal schlecht. Wegen der Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen hat die Waldfläche in den letzten Jahren tendenziell ganz leicht zugenommen. Das habe aber nicht so viel mit den klimatischen Veränderungen im Hochwald zu tun. Beispiel Grünten: Dort kann man, wie Frey sagt, "wirklich zuschauen", wie sich der Fichtenwald auflöst. "Der allgemeine Fichtenwald, wie wir ihn heute kennen, wird sich als ganz klare Folge des Klimawandels auflösen und wird in 20 Jahren so, wie wir ihn kennen, nicht mehr da sein." Das passiert durch Hitze und Trockenheit teils wegen des Klimawandels, teils aber auch wegen anderer Ursachen wie Borkenkäfern.
Waldbrand am Zunderkopf und immer wieder Feldbrände
Durch die Hitze und die damit einhergehende Trockenheit sterben nämlich manche Baumarten ab. "Die halten Extremhitze nicht aus", erklärt Frey. Doch es gibt noch eine andere Gefahr für die Wälder, die durch die hohen Temperaturen ausgelöst wird: Feuer. In diesem Jahr gab es nicht nur verheerende Brände in Portugal, Spanien, Frankreich, Griechenland, der Türkei und Kroatien, sondern auch im Allgäu. Am 21. Juli während der Hitzewelle brannte der Wald am Zunderkopf:
Waldbrand im Allgäu: Feuerwehr auf Zunderkopf im Einsatz
Die Bergwacht und auch die Feuerwehr vermuteten als direkte Brandursache einen Blitz. Denn in der Nacht zuvor hatte es ein heftiges Gewitter gegeben - während der Hitzewelle im Juli. Doch die Waldbrandgefahr war über den ganzen Sommer und teilweise auch schon im Frühling diesen Jahres hoch. Immer wieder gab es

. Und nicht nur Wälder waren betroffen. Immer wieder fingen auch Felder an zu brennen, wie im nördlichen Allgäu im Juli.
Hitze und Trockenheit: Mehrere Brände auf Feldern im nördlichen Allgäu
Drei Meter weniger Eis am Schwarzmilzferner
Doch der Klimawandel zeigte sich im Allgäu 2022 nicht nur auf ebenen Feldern, sondern auch in den Alpen. Wie allgaeuer-zeitung.de berichtete, lag der Verlust der Eismasse am Schwarzmilzferner, dem "Allgäuer Gletscher" in diesem Jahr bei über drei Metern. Das hatte der Gletscherforscher Dr. Christoph Mayer mitgeteilt. Ihm zufolge lag der bisher größte Eisverlust 2003 und 2014 bei jeweils 2,40 Metern. "Das heißt, wir haben dieses Jahr etwa 25 Prozent mehr verloren als in den bisher negativsten Jahren", sagt Mayer.
Technischer Fortschritt, aber auch Genügsamkeit
Die Klimakrise ist also nicht nur ein Problem in Regionen am Meer oder in der Arktis, der Klimawandel steht auch bereits vor der Haustür des Allgäus. Auf die Frage, was wir im Allgäu tun können, um den Klimawandel zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen sagt Frey: "Wir müssen an ganz vielen Stellen umsteuern, aber wir müssen auch effizienter werden." Nur mit technischem Fortschritt kann die Klimakrise laut Frey nicht bezwungen werden. Es sei natürlich wichtig und nötig, die Technik voranzutreiben und einzusetzen, aber "wir müssen auch unser Verhalten ändern", meint er. "Nur mit Technik auswechseln, da bin ich felsenfest davon überzeugt, werden wir den Klimawandel auf der Welt nicht stoppen."
Guter Vorsatz: "genügsamer sein"
Doch Frey bleibt positiv: "Ich bin aber auch überzeugt davon, dass es deswegen kein schlechteres Leben ist. Ein bisschen genügsamer zu sein, kann sogar für bestimmte Dinge viel mehr Bewusstsein schaffen", sagt er mit Blick auf ein sparsameres Leben für das Klima. Vielleicht könnte das ja für den ein oder anderen ein guter Vorsatz für das nächste Jahr sein.