Von Ingrid Grohe |Lindau/WestallgäuElmar Stegmann ist kein Zeichen von Erschöpfung anzusehen. Auch gehetzt wirkt er nicht, obwohl das Arbeitspensum, das er schildert, schon beim Zuhören atemlos macht. Genau 100 Tage hat der 36-Jährige als Landrat des Kreises Lindau hinter sich - und zwölf bis 14 Arbeitsstunden an einem Tag waren in dieser Zeit keine Seltenheit. Trotzdem: "Ich mache das sehr gerne", sagt Stegmann.
Noch wohnen Elmar Stegmann und seine Partnerin Helma Selber in Leutkirch. "Wir beobachten den Immobilienmarkt aufmerksam", sagt Stegmann. Zeit, sich gezielt nach Bauplatz, Haus oder Wohnung umzuschauen, habe er aber seit Amtsantritt nicht gehabt. Und so nimmt er vorerst die zweimal 40 Minuten Fahrzeit zu und von seinem Büro auf der Lindauer Insel in Kauf. Vor allem die Dauer der Heimfahrt relativiert sich in der Praxis: "Ich komme sehr selten direkt von der Arbeit nach Hause. Fast immer habe ich irgendwo unterwegs einen Termin."
Elmar Stegmann will so viel wie möglich kennenlernen. Seit Amtsantritt ist er damit beschäft, alle Abteilungen des Landratsamtes und die Mitarbeiter zu besuchen, Termine bei den Landkreisschulen, bei Vereinen, Verbänden und Kreisgremien, ebenso beim Abfallverband ZAK und dem Polizeipräsidium in Kempten warhzunehmen. Auch zu allen Kreisgemeinden will er einzeln kommen. "Mir sind die Menschen wichtig", sagt er. In der Innentasche seines Sakkos steckt deshalb immer ein Bündel kleiner Zettel, auf denen er die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger notiert.
Bei all den Gesprächen geht es Stegmann nicht allein um Kontakte, sondern vor allem um anstehende Themen. Der neue Landrat betritt nicht unüberlegt die ausgetretenen Amtspfade. "Ich erarbeite mir vieles neu, um selbst zu wissen, worum es geht, warum etwas wie läuft und ob es eine bessere Möglichkeit gäbe." Obwohl er möglichst viele Terminwünsche erfüllen möchte, lässt er kleinere Angelegenheiten auch mal von Mitarbeitern erledigen. "Das ist einfach eine Zeitfrage". Solange er unterwegs sei, häuften sich ja trotzdem die Akten auf dem Schreibtisch am Lindauer Stiftsplatz. Künftig, so überlegt er laut, sollte er sich vielleicht öfter fahren lassen, um im Auto arbeiten zu können.
Zu den Sachthemen und seinen politischen Prioritäten äußert sich Elmar Stegmann ähnlich wie vor seiner Wahl. Das "vernünftige Miteinander" im Kreistag ist ihm wichtig. "Aus meiner Sicht läuft das hervorragend. Das sieht man an der praktischen Arbeit." Dass sich der Kreistag einmütig für die Holzhackschnitzelanlage ausgesprochen hat, ist seiner Meinung nach ein gutes Zeichen. "Auch wenn jetzt von einer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke gesprochen wird: Das Thema Energie wird uns weiter beschäftigen. Und da sind gerade wir vor Ort gefragt."
Im Westallgäu ist Landrat Stegmann nicht weniger präsent als in der Kreisstadt Lindau. Seine erste Amtshandlung war eine Ansprache bei der Partnerschaftsfeier in Weiler am 1. Mai. In Heimenkirch hat er Bürgerinnen und Bürger von Hämmerle überrascht, die auf eigene Faust einen Gehweg bauen wollen und vom Landrat spontan eine ordentliche Finanzspritze zugesagt bekamen. Der besondere Reiz des neuen Amtes liegt für Stegmann vor allem in der Vielseitigkeit der Aufgaben. Dazu trägt auch die Grenzlage des Kreises bei. Im Ausschuss der Internationalen Bodenseekonferenz den Freistaat Bayern zu vertreten, sei sehr reizvoll und eine Ehre. "Und man kann viel lernen in solchen Gremien."
Von seinem Arbeitspensum spricht Elmar Stegmann übrigens nur auf Nachfrage. Was ist mit den Wochenenden? - Da sind es meist "nur acht bis zehn Stunden" täglich. Ja, auch Samstag und Sonntag. Ja, das sei "manchmal schon heftig". Im August gönnen sich Stegmann und seine Partnerin ein paar Tage Urlaub. Und sobald sie ein bisschen Zeit haben, möchten sie in den Landkreis ziehen.