Garmisch-Partenkirchen/Kempten (mun). - Im Freistaat soll eine 'Bayerische Plattform Naturgefahren' gegründet werden. Dies ist eine der Konsequenzen, die Bayern aus dem verheerenden August-Hochwasser dieses Jahres zieht. Bei dem neuen Gremium handle es sich um eine Art Runden Tisch, an dem unter anderem Vertreter der Wasserwirtschaft, der Raumplanung, der Politik und der Versicherungswirtschaft sitzen, erläuterte Ministerialrat Martin Grambow vom bayerischen Umweltministerium bei einer Fachtagung in Garmisch. Klimaforscher Professor Wolfgang Seiler unterstrich, er rechne aufgrund der Klimaveränderung in Zukunft mit noch mehr Hochwässern und anderen Naturkatastrophen. Seiler, Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch, ist überzeugt: 'Die Folgen der Klimaänderung überrollen uns'. Entsprechend habe sich der Denkansatz geändert. Es gehe nicht mehr nur darum, die vom Menschen ausgehende Veränderung zu vermeiden, sondern um die Frage: 'Wie können wir mit den unausweichlichen Folgen fertig werden?'Beispiel Hochwasser August 2005: In Kempten hatte die Iller einen Stand noch über dem Rekordpegel vom Pfingstsamstag 1999 erreicht. Der Oberlauf des Lechs habe am 22. und 23. August so viel Wasser geführt 'wie möglicherweise seit Jahrtausenden nicht mehr', berichtete Hubert Steiner von der Abteilung Wasserwirtschaft bei der Tiroler Landesregierung. Und in der Nord- und Zentralschweiz richtete das Sommer-Unwetter zwischen 19. und 23. August einen Schaden von 2,5 Milliarden Schweizer Franken an. 'Vermutlich müssen wir bis 1852 zurückgehen, um etwas Vergleichbares zu finden', schilderte Dr. Christoph Hegg von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Sein Fazit: 'Wir dürfen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen'. Dieses Motto stand denn auch generell über der Fachtagung, die im Rahmen der Kongressreihe 'acqua alta' (italienisch für Hochwasser) durchgeführt wurde: 'Damm gegen das Vergessen' hieß es auf den Tagungsunterlagen. Diesen Namen trägt auch die Hochwasser- Fachmesse, die kommendes Jahr zum dritten Mal stattfindet - nach zwei Jahren in München im September 2006 in Hamburg. Martin Grambow vom bayerischen Umweltministerium sagte, der Freistaat habe aus dem Pfingsthochwasser 1999 die richtigen Lehren gezogen. So habe man bei Verbauungen nochmals einen 'Klimafaktor-Zuschlag' von 15 Prozent eingeführt. Will heißen: Bei Dämmen oder Schutzmauern wird ein 15-prozentiger Zuschlag auf die bisherigen Dimensionen hinzugerechnet, weil man wegen des Klimawandels in Zukunft noch schlimmere Fluten für möglich hält.
'Richtig gehandelt'So hätten manche Kritiker beispielsweise die nach 1999 entstandene Hochwasserschutz-Verbauung in Kempten als überzogen angesehen. Nach der jüngsten Flut wisse man, dass das Kemptener Wasserwirtschaftsamt richtig geplant und gehandelt habe. Das gelte auch für den Hochwasserschutz an der Oberen Iller, derzeit Bayerns größtes Wasserbauprojekt. Dort hätten sich Damm-Verbauungen mit speziellen Dichtungen bewährt. Nach Angaben des Ministeriums war beim Pfingsthochwasser 1999 in Bayern ein Schaden von 350 Millionen Euro entstanden, im August dieses Jahres summierten sich die Schäden trotz vielfach höherer Pegel lediglich auf 175 Millionen Euro. Hintergrund: Wie beispielsweise an der Iller machten sich auch andernorts Verbauungen positiv bemerkbar. Auch konnten so genannte Retentions-(Überflutungs)-Gebiete gezielt gefüllt werden, um Spitzen von Flutwellen zu kappen.