Mehr als 40 Prozent der Unternehmen im Oberallgäu und Kempten und knapp 40 Prozent der Unternehmen im Ostallgäu und Kaufbeuren beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als schlecht. Das geht aus einer im Mai durchgeführten Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) hervor. Das Ergebnis der Umfrage sei ein "ganz brutaler Absturz", so Peter Leo Dobler, Vorsitzender der Regionalversammlung Kaufbeuren und Ostallgäu in der Pressekonferenz der IHK am Donnerstag in Kempten. Laut Markus Brehm, Vorsitzender der Regionalversammlung Kempten und Oberallgäu, erwartet der Großteil der IHK-Unternehmen in Zukunft sinkende Umsätze.
Wirtschaft
Laut Brehm kommt dem Allgäu der Branchenmix zugute. Die Einbußen in den verschiedenen Branchen würden erst zeitversetzt eintreten. Das größte Problem in der Krise: Die große Unsicherheit bei den Betrieben. "Wir müssen gesunden Optimismus reinbringen, sodass der Optimismus den Anschub nach vorne bringt", sagte Dobler gegenüberall-in.de. Denn die Sorgen, die Unternehmen im Allgäu jetzt haben, seien die Konjunkturentwicklungen.
Welche Branchen sind besonders betroffen?
Von der Coronakrise am stärksten betroffen sind der Tourismus und die Gastronomie. Im Oberallgäu und Kempten sei die Tourismusbranche laut Dobler "fast auf den Nullpunkt" gesunken. Laut Brehm könne man die Verluste im Tourismus oder in der Gastronomie nicht so einfach aufholen. Er rechnet damit, dass erst Mitte bis Ende 2022 wieder der Stand von vor der Coronakrise erreicht ist. Auch der Einzelhandel und Transport leiden stark unter der Coronakrise. Die Bauwirtschaft hingegen ist von der Coronakrise derzeit am wenigsten betroffen: In Schwaben schätzen 70 Prozent der befragten Unternehmen ihre Lage als gut ein. Allerdings rechnet rund ein Viertel mit einer Verschlechterung der Geschäftslage. In puncto Homeschooling habe Deutschland noch Nachholbedarf. Und auch im Ausbildungsmarkt gelte es, Anreize zu schaffen, betonte Markus Anselment, IHK-Regionalgeschäftsführer für das Oberallgäu und Kempten sowie Ostallgäu und Kaufbeuren.
Kurzarbeit
Im Ober- und Ostallgäu sowie Kempten und Kaufbeuren haben nach IHK-Angaben 7.000 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Das betrifft 100.000 Mitarbeiter. Die Arbeitslosenquote ist von 2,6 Prozent im März auf 3,5 Prozent im Mai gestiegen. Um Arbeitnehmer im Unternehmen zu halten, wünscht sich Dobler eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate.
Tourismus

Winter auf dem Arbeitsmarkt
Arbeitslosenquote steigt leicht an: Wo es im Allgäu die wenigsten Arbeitslosen gibt
Laut Robert Frank, Vizepräsident der IHK Schwaben, ist die Stimmung im Tourismus wieder besser. "Wir sind wieder ganz optimistisch", sagt er gegenüberall-in.de. Allerdings hätte er sich gewünscht, seitens der Regierung mehr Vorlaufszeit zu bekommen. Die Kurzfristigkeit, mit der die Regierung entschieden hat, wie es weitergeht, war laut Frank ein Problem. "Dadurch ist die Unsicherheit bei den Unternehmen gestiegen." Vor allem Unternehmen, die sich auf internationale Gäste, Catering, Sport und Kultur spezialisiert haben, dürfe die Politik nicht vergessen: Laut Frank sollte die Regierung spezialisierter auf einzelne Unternehmen eingehen. Betriebe, die die nötigen Sicherheitsvorkehrungen wie Abstand halten nicht umsetzen können, "werden es nicht alle überleben". Die Auswirkungen werden ab Herbst spürbar, so Frank. "Glimpflich davonkommen" werden wohl die Vermieter südlich von Kempten. Denn die Berge ziehen auch deutsche Urlaubsgäste an. In Sachen Wellness fordert Frank eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den Bundesländern, aber auch zwischen Deutschland und Österreich. Dass Gartencenter in Baden-Württemberg geöffnet haben durften, nicht aber in Bayern, sei für die Wirtschaft im bayerischen Allgäu ein Nachteil gewesen.
Hat die Coronakrise auch etwas positives?
Gerhard Schlichtherle, Vizepräsident der IHK Schwaben, lobte die Arbeit der Politik. Vor allem habe die Coronakrise die Digitalisierung in Schwung gebracht.
Zukunft
"Soforthilfen sind wichtig und gut, ersetzen aber nicht das Wirtschaften", so Gerhard Schlichtherle. Laut Anselment brauche es mehr: Um die Wirtschaft und das Gemeinwohl voranzubringen, müsse der Konsum wieder in Gang kommen, so Schlichtherle. Brehm schlug deshalb verkaufsoffene Sonntage für diejenigen Geschäfte vor, die aufgrund der Coronabestimmungen einige Wochen schließen mussten, wie beispielsweise Gartencenter. "(D)igitale Infrastruktur (...), niedrigere Strompreise und ein wettbewerbsfähiges Unternehmenssteuersystem" können laut Brehm dabei helfen, die Wirtschaft im Allgäu wieder anzukurbeln. Wie viele Firmen ihren Firmensitz schon aufgeben mussten, konnte Schlichtherle nicht sagen. Man befände sich noch am Anfang der Coronakrise und habe noch keine verlässlichen Zahlen. Viele Unternehmen konnten die Zeit mit Rücklagen überbrücken, erklärt er. In sechs bis 12 Monaten werde man dann aber wohl sehen, wie viele Firmen aufgrund der Coronakrise im Allgäu schließen mussten. Brehm betonte für die Zukunft: "Fahrt auf Sicht - und hoffentlich auch auf Rücksicht". Ein wichtiger Aspekt sei die Gesundheit der Menschen. Dobler zeigte sich optimistisch: "Jede Krise hat jetzt auch ihre Chance: Arbeitsplätze schaffen, Aufträge reinholen und weiter geht´s nach vorne."