Begegnung: Vom Bauernbub zum Oberbürgermeister

24. Dezember 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
ralf lienert

Zum 80. Geburtstag wird Dr. Josef Höß Ehrenbürger von Kempten

Geboren wurde er als Bub eines Kleinbauern in einem Weiler bei Oberstaufen. Doch mit Ehrgeiz und Entschlossenheit schaffte er es zum Oberbürgermeister von Kempten. Und demnächst verleiht ihm die Stadt die höchste Auszeichnung, die sie zu vergeben hat – die Ehrenbürgerwürde: Altoberbürgermeister Dr. Josef Höß, der am Sonntag, 25. Dezember, seinen 80. Geburtstag feiert. Ein Rückblick auf einen bemerkenswerten Werdegang:

'Ehrgeiz, Willenskraft und Entschlossenheit' – das sind Eigenschaften die Josef Höß sich auch selbst zuschreibt. Geprägt wird er dabei schon in der Kindheit, die alles andere als leicht ist: 1931 erblickt er auf einem Bauernhof in einem Weiler bei Oberstaufen das Licht der Welt – in ärmsten Verhältnissen. 'Vier Kühe und einen Schumpen' besitzen seine Eltern. Die Mutter stirbt nach der Geburt seines Bruders, mit eineinhalb Jahren kommt der kleine Josef zu einer Tante. Mit acht Jahren kehrt er zum Vater zurück, der 'bescheiden und zufrieden' mittlerweile auf einem Hof bei Heimenkirch lebt – 'ohne elektrisches Licht und fließendem Wasser'. Das Leben ist hart, trotzdem erinnert er sich gerne an 'die Geborgenheit der großen Familie', die er vor allem mit den Schwestern und dem Bruder seiner Mutter verbindet.

Sie geben ihm die geistige Basis und das Geld, um aufs Gymnasium zu gehen und so seinen Aufstieg vorzubereiten.

Studium statt Kuhstall

Dass er selbst daran glaubt, dafür sorgt sein Lehrer: Er schreibt ihm ins Zeugnis 'ein verlässlicher geistiger Arbeiter' zu sein und empfiehlt ihm das Studium statt der Arbeit ihm Kuhstall. So geht mit 14 Jahren nach Kempten, wohnt im Schülerheim Stella Maris und besucht das Carl-von-Linde-Gymnasium. Höß: 'Ich war glücklich, dass ich dort aufgenommen wurde, und genoss es, dabei zu sein.'

Er hängt sich voll rein und die Abiturnote von 1,1 verschafft ihm ein Stipendium, mit dem er ab 1952 in München Jura und Volkswirtschaft studieren kann. Er wird zum Vorsitzenden des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) gewählt. Was seinen Horizont aber noch mehr erweitert, ist eine Art Studentenaustausch nach Ankara. Ein halbes Jahr ist er in der Türkei. Er reist nach Syrien, Jordanien und den Libanon, besucht die Ausgrabungen von Troja. 'Im Grunde war das wahnsinnig, ich konnte die Eindrücke gar nicht mehr verarbeiten', schüttelt er noch heute den Kopf.

Zurück in Deutschland geht er zielstrebig seinen Weg: Examen in München, in Würzburg, erste Stellung 1962 bei der Bayerischen Finanzverwaltung in Augsburg. Er heiratet seine Frau Rita, die aus Heimenkirch stammt und ihm drei Söhne schenkt: Markus, Johannes und Stefan. Sie werden später Architekt, Arzt und Rechtsanwalt. Heute hat er sieben Enkel.

Traumberuf und Abwahl

Als er zufällig in der juristischen Wochenschrift liest, dass Kempten einen Stadtkämmerer sucht, bewirbt er sich und bekommt die Stelle. Als Kämmerer unter Oberbürgermeister August Fischer 'wird mir bald klar, ich will sein Nachfolger werden'. Dazu muss er allerdings in der CSU parteiintern Mitbewerber Hubert Rabini ausstechen. Der wird später Oberallgäuer Landrat. 1970 ist es soweit: Josef Höß tritt das Amt an, von dem er später erklärt, dass es sein Traumberuf ist – Oberbürgermeister in Kempten.

20 Jahre lang übt er diesen Traumberuf aus und krempelt in der Zeit die Stadt kräftig um. Doch dann kommt, was er lange Zeit nicht verwindet: Höß wird abgewählt. Das Wahlkampfthema 'Müllverbrennung hat die Atmosphäre vergiftet' (Höß) und bringt ihn um viele Wählerstimmen.

Es ist 1990, die Mauer gefallen und für den Osten werden demokratische Politiker für den Wiederaufbau gesucht. Er nutzt die Chance mit 59 Jahren zum Neuanfang 'und um Abstand zu Kempten zu finden'. Schließlich landet er als Finanzbürgermeister in Dresden – 'eine enorme Herausforderung in einer einmalig schönen Stadt'. Oft mit zweierlei Gesichtern: Einmal wird er als Wessi von einem SPD-Stadtrat angefeindet ('den Höß müssen wir nach Bayern entsorgen').

Anderntags kommt der Fraktionschef der SPD und entschuldigt sich offiziell bei ihm (Höß: 'Da war ich tief bewegt').

Als er altersbedingt aufhören muss, zieht es ihn zurück 'zu meinen Wurzeln'. Heute ist Josef Höß in Kempten 'zufrieden und glücklich'. Wenn er durch die Stadt geht, 'freue ich mich an der Jugendlichkeit und Weltläufigkeit durch die aufstrebende Hochschule und an der großen kulturellen Breite'.

Dr. Josef Höß vor seinem Porträt im Rathaus: Am Sonntag feiert er 80. Geburtstag, nächste Woche macht ihn die Stadt zu ihrem Ehrenbürger. Foto: Ralf Lienert