Unterernährte Kühe, die knietief im Dreck liegen, halb – oder ganz – erfrorene Lämmer, deren Mutterschafe ihr Schäfer im Winter zum Ablammen draußen ließ oder Hunde, die von den spitzen Gitterstäben ihres Zwingers massive Schnittverletzungen davongetragen haben: Immer wieder stoßen die Veterinäre am Landratsamt Ostallgäu auf "krasse" Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. In solchen Fällen, so sagt Oberregierungsrat Ralf Kinkel als Leiter der Veterinärverwaltung, bleibe nur die "Ultima Ratio": Den Haltern werden ihre Tiere weggenommen. Mit Kinkel sprachen wir anlässlich der kürzlich beendeten internationalen Tierschutzwoche.
Wobei, so sagt er, Fälle wie die eben geschilderten im Ostallgäu relativ selten vorkämen: 'Im landwirtschaftlichen Bereich passiert das vielleicht einmal im Jahr', meint der Jurist. Das sei nicht viel, wenn man bedenke, dass es allein rund 2400 Rinderhalter im Landkreis gebe (Infokasten). Bevor es soweit kommt, dass Veterinäramt und Polizei in einer konzertierten Aktion ausrücken, um Tiere abzuholen, weil ihr Wohl gefährdet ist, wird in weniger krassen Fällen in der Regel erstmal auf die Halter eingewirkt.
Auf die reine 'Belehrung' folgt die 'Anordnung', zum Beispiel ausreichend Futter und Wasser für die Schumpen bereitzustellen, erläutert Kinkel. Ansonsten werde ein Zwangsgeld fällig. 'Hilft das alles nichts, können wir einem Halter seine Tiere auch vorübergehend wegnehmen, bis er ordnungsgemäße Haltungsbedingungen geschaffen hat.'
Verpufft dieser Schuss vor den Bug, kommen wieder dauerhafte Tierhaltungsverbote ins Spiel. Eine mildere Variante ist, eine reduzierte Haltung anzuordnen – 'gerade, wenn der Besitzer nur überfordert ist', so Kinkel.
Absichtliche Tierquälerei ist ihm zufolge äußerst selten. Überforderung sei meist der Grund dafür, dass Nutztiere erheblich verwahrlosen. Kinkel berichtet von unbehandelten Brüchen, einsturzgefährdeten Ställen oder von eingestaubten Tränkanlagen und Futterboxen. Die Halter fänden oft abstruse Begründungen ('Fressen die Rinder viel, machen sie auch viel Mist und Arbeit') für ihr Fehlverhalten.

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Nicht grundlos hat sich das Gros der Fälle, von denen Kinkel berichtet, auf Ostallgäuer Bauernhöfen zugetragen: Landwirtschaftliche Tierhaltungen sind meldepflichtig, Kleintierhaltungen nicht. 'Bei letzteren können wir nur einschreiten, wenn wir Hinweise bekommen.' Erstere werden im Ostallgäu überprüft: im Rahmen der EU-weiten 'Cross Compliance' (CC) sowie durch weitere Kontrollen.
Im ersten Halbjahr 2011 wirkte das Veterinäramt laut Kinkel an 70 CC-Kontrollen von Landwirten mit und organisierte darüber hinaus 83 spezielle Tierschutzkontrollen. Dabei seien vier Buß- und sechs Zwangsgelder ausgesprochen worden. 'Insgesamt gab es zwölf schriftliche Bescheide, mit denen den Tierhaltern dezidiert etwas aufgegeben wurde', so Kinkel.
Wie er zusammenfassend betont, nehme die Veterinärbehörde Tierschutz sehr ernst und traue sich, einzuschreiten – auch wenn der betroffene Tierbesitzer nicht einsichtig ist. 'Von einem wütenden Halter sind wir schon mal mit dem Hammer bedroht worden', erzählt er. Mehr Konsequenz würde sich Kinkel indes vom Gesetzgeber wünschen: 'Wir dürfen Haltungsverbote aussprechen, aber es gibt kein Register, in das sie eingetragen werden.'