"Es wäre falsch zu glauben, dass wir sehr viel erreicht haben. Aber man darf nicht nachlassen. Der Kampf lohnt sich." Reinhard Sieber und Willi Pilz, die beiden Lindenberger Naturschützer, waren sich im Redaktionsgespräch einig, dass der Bund Naturschutz in den vergangenen Jahrzehnten einiges bewegt hat, aber noch nicht genug. Morgen feiert die Kreisgruppe in Lindenberg das 40-jährige Bestehen.
Welche Schwierigkeiten hatten die Naturschützer in den Siebzigerjahren, als die Kreisgruppe gegründet wurde?
Willi Pilz: Wir stießen auf eine ausgeprägte Aversion, vor allem bei den Landwirten. Insbesondere über die Frage der Entwässerung von Feuchtwiesen haben wir viel rumgestritten, obwohl es schon Gesetze gab. Die Menschen standen dem Naturschutzgedanken sehr skeptisch gegenüber. Die > hat man nicht gemocht. Das ist heute anders.
Reinhard Sieber: Die Leute wollten sich von den Zugereisten halt nicht dreinreden lassen.
Was war der Grund für die ablehnende Haltung?
Pilz: Natur- und Umweltschutz schutz waren Fremdworte. Vieles passierte aus menschlichem Unverstand und Unkenntnis, aber auch aus Selbstherrlichkeit, wodurch sogar Feindschaften entstanden. Der Bauer hat das getan, was seine Vorfahren auch getan haben. Warum sollte man also nicht weiterhin Orchideenwiesen düngen oder gar aufforsten? Dass durch die Trockenlegung wichtige Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten verloren gingen, war den Leuten nicht so bewusst.
Sieber: Die Schwierigkeit ist, dass die Folgen von falschem Handeln nicht sofort sichtbar werden. So lässt sich zum Beispiel erst nach fast zwei Jahrzehnten nachweisen, ob eine Orchideenwiese zu sehr drainiert worden ist und dadurch der Pflanzenbestand vernichtet wurde.
Hat sich das Bewusstsein der Menschen geändert?
Sieber: Irgendwann hat man gemerkt, was man angerichtet hatte. Wenn 80 Prozent der Moore entwässsert sind, fehlen Wasserspeicher. Ich wage zu behaupten, die Überschwemmungen der letzten Jahre sind hausgemacht. Das Bewusstsein hat sich im Landkreis gedreht, gerade bei den Landwirten. Heute tut man alles, um die Feuchtgebiete, wie das Hagspielmoor zu erhalten.
Welchen Anteil daran hat der Bund Naturschutz?
Sieber: Es ist solchen Idealisten wie dem leider verstorbenen Dr.
Ossi Demeter und Willi Pilz zu verdanken, die durch Dia-Vorträge, Exkursionen, Vogelstimmenwanderungen und vieles mehr unermüdlich die Menschen aufgeklärt und für die Natur sensibilisiert haben. Das ständige Trommeln ist in viele Köpfe gedrungen. Man schützt nur, was man kennt.
Welche Themen standen damals im Mittelpunkt?
Pilz: Im Westallgäu natürlich der Waldsee. Als die Kommunalpolitiker um 1970 Veränderungen vornehmen wollten, gründete sich eine Bürgerinitiative. Es dauerte 17 Jahre bis das Erholungsgebiet unter Landschaftsschutz gestellt wurde. Aber der Kampf hat sich gelohnt. Er brachte den Naturschützern viel Zulauf und Respekt.
Sieber: In meiner Zeit als Vorsitzender sorgten eine Reihe Großprojekte für Aufsehen. An erster Stelle die Autobahn vom Weitnauer Tal mitten durchs Westallgäu. Dass wir das Mitte der 80er Jahre verhindern konnte, wird heute allseits als Segen betrachtet. In den zehn Jahren verfünffachte sich damals die Mitgliederzahl. Wir hatten was bewegt.
Womit muss sich der Bund Naturschutz künftig auseinandersetzen?
Pilz: In den vergangenen 50 Jahren sind ein Dutzend Vogelarten im Westallgäu verschwunden oder erschreckend zurückgegangen, wie Distelfink, Rotkopfwürger, Klappergrasmücke oder Gelbspötter. Bleiben unsere Gärten so steril, werden weitere Vögel folgen. Der Naturschutz muss sich dafür einsetzen, dass die Landschaftspflege, die seltene Pflanzen erhält, besser honoriert wird.
Sieber: Richtig.Wir könnten bei den Gartenbauvereinen wieder einen Naturgarten-Wettbewerb anregen. Im Moment besteht die Gefahr, dass der technische Umweltschutz zu sehr in den Vordergrund rückt. Stichwort Solartechnik. Oder Kläranlagen.Die größte Gefahr geht von dem weiterhin ungebremsten Flächenverbrauch aus. Durch die Erd-erwärmung werden Arten verschwinden, neue auftauchen, alte wiederkommen. Die einzige Konstante in der Natur ist die Veränderung. Schon Goethe hat es auf den Punkt gebracht: Die Natur versteht keinen Spaß. Sie hat immer Recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen. >>