Interview: Pilgerzentrum Scheidegg beherbergt den 1000. Pilger

20. Oktober 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
Kartrin Horn

Erste evangelische Herberge in Deutschland

Schon auf den Stufen zur evangelischen Kirche in Scheidegg ist eine Jakobsmuschel aus Messing eingelassen. Seit Oktober 2007 werden im Pilgerzentrum Menschen aufgenommen, die auf dem Jakobsweg unterwegs sind. Pfarrerin Ingrid Ossig im Gespräch über die 1000. Pilgerin, die Anfänge als erstes evangelisches Pilgerzentrum Deutschlands und die unterschiedlichsten Begegnungen.

Frau Ossig, Sie haben kürzlich den 1000. Pilger in Scheidegg beherbergt.

Ingrid Ossig: Ja, eine Gruppe mit fünf Frauen hat sich bei uns angemeldet. Sie kamen aus Kempten und sind dann am nächsten Morgen weiter nach Lindau und Bregenz gelaufen.

Hat die Zahl der Pilger in den vergangenen Jahren zugenommen?

Ossig: Es sind schon mehr geworden. Aber natürlich kein Vergleich mit Frankreich oder Spanien, wo richtige Pilgerströme unterwegs sind. Doch auch bei uns werden es mehr, gerade Menschen, die sagen, sie wollen es ruhiger.

Was sind das für Menschen, die Sie hier in Scheidegg beherbergen?

Ossig: Es sind viele Ruheständler unterwegs, aber auch Studenten. Die Bandbreite ist groß: Ich habe aber auch schon eine Gruppe junger Mütter getroffen, die für eine Woche gemeinsam unterwegs waren, während sich die Papas um die Kinder gekümmert haben. Oder ein Mann aus Polen, der schon 800 Kilometer hinter sich hatte und mit zehn Euro pro Tag bis nach Spanien wollte.

Was erzählen die Menschen, warum sie unterwegs sind?

Ossig: Viele suchen die Ruhe. Das erlebe ich auch beim Samstagspilgern. Einige sind auch auf der Suche, etwa nach einer neuen Perspektive oder erhoffen sich einen neuen Blick auf das Leben, einfach durch das Gehen über eine längere Zeit. Manche gehen auch aus Dankbarkeit oder natürlich aus spirituellen Gründen.

Wann ist die Pilger-Hochsaison bei Ihnen?

Ossig: Am meisten sind es im Sommer, gerade in den Ferien. Aber einmal kam ein Pärchen zwischen Weihnachten und Neujahr vorbei und ein junger Mann im März als noch meterhoch Schnee auf den Wegen lag.

Können Pilger jederzeit bei Ihnen anklopfen?

Ossig: Ja, wir sind da flexibel. Offiziell haben wir von Mai bis Oktober geöffnet, in dieser Zeit gibt es auch Frühstück für die Pilger. Die restliche Zeit lasse ich sie herein, dann haben sie ein Bett und Duschen.

Gibt es auch Tage, in denen sie aus allen Nähten platzten?

Ossig: Selten. Zur Not müssen sich die Pilger im Dorf eine Unterkunft suchen. Oder sie schlafen auf einer Luftmatratze, das können wir immer anbieten.

Sie waren im Jahr 2007 das erste evangelische Pilgerzentrum in Deutschland. Wie hat sich das ergeben?

Ossig: Schon bevor es das Pilgerzentrum gab, haben immer wieder Menschen beim Pfarrer geklingelt und gefragt, ob sie übernachten könnten. Auch Frau Gnad vom Scheidegger Kuramt hat diese Idee ins Gespräch gebracht. Wir haben uns dann überlegt, ob es zu unserer Kirchengemeinde passt und festgestellt, dass die Idee dahinter, Menschen machen sich auf den Weg, sehr gut passt. Wir haben ja auch den ökumenischen Kapellenweg.