Experiment: Neuauflage des Behindertenführers Kempten - Zu Testzwecken fahren Studenten mit dem Rollstuhl durch die Stadt

3. August 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
martina diemand

Im Rahmen der Neuauflage des Behindertenführers fahren vier Studenten einen Vormittag lang mit dem Rolli durch die Stadt

Schnaufend quälen sich Florian Benz, Solveig Kindt, Sandra Claassen und Andreas Walter im Rollstuhl die Fischersteige hoch. Oben wartet schon ein gut gelaunter Albrecht Hung, Vorsitzender des Behindertenbeirats der Stadt und selbst seit 40 Jahren Rollstuhlfahrer. "Die Arme werden Sie morgen ganz schön spüren", lacht er.

Daran haben die vier Studenten nicht den geringsten Zweifel. Dennoch halten sie die knapp zweieinhalbstündige Tour mit dem Rollstuhl durch die Innenstadt tapfer durch. Denn sie wollen spüren, wie es ist, ein Leben im Rollstuhl zu führen. Und wie es sich anfühlt, wenn ein kleiner Bordstein plötzlich zum schier unüberwindlichen Hindernis wird. Dass Andreas Walter, Solveig Kindt und Sandra Claassen sich an diesem Morgen in Rollstühlen durch die Stadt schieben, haben sie ihrem Kommilitonen Florian Benz zu verdanken. Der Student der Sozialwirtschaft arbeitet im Rahmen seines Studiums beim städtischen Sozialamt und hat dort im März freiwillig die Aufgabe übernommen, den mittlerweile elf Jahre alten Behindertenführer zu aktualisieren, der Ende des Jahres in Druck geht. Florian Benz klappert dafür Hotels, Geschäfte und Einrichtungen ab.

In den Führer, der sich einerseits an Touristen und andererseits an die Kemptener selbst wendet, sollen alle Angebote für Behinderte aufgenommen werden. Und damit er sich ansatzweise in die Bedürfnisse behinderter Menschen einfühlen kann, schlug der Student die Rollstuhl-Tour durch Kempten vor.

Über Rathaus- und St.-Mang-Platz, durch Bäcker-, Burg- und Kronenstraße, die Fischersteige und die Fußgängerzone hinauf und zurück über König- und Gerberstraße führt Albrecht Hung die jungen Leute. Die stellen schnell fest, dass Rollstuhlfahren erstens ordentlich in die Arme geht und zweitens einiges an Geschick und Koordinationsfähigkeit erfordert. Und die Kemptener Probleme für Rollstuhlfahrer haben die Studenten flugs ausgemacht: > Ganz so pauschal würde Hung, der scheinbar mühelos im Rollstuhl Treppen auf- und absteigt und in den Läden Rolltreppe fährt, das nicht sagen: > Der Übergang über die Bahnhofstraße am Forum Allgäu sei ein positives Beispiel. Aber an manchen Stellen wie dem Übergang in der Bäckerstraße oder so manchen Ampeln, die zu schnell umschalten, hapere es.

Woran es noch hapert, bringt Sandra Claassen auf den Punkt, nachdem sie sich in der Fußgängerzone lautstark um Hilfe bemüht hat: > Lob vergeben sie und Solveig Kindt dagegen an die Tourist-Info, wo die Test-Rollstuhlfahrer nach Infomaterial fragen und freundlich beraten werden.

Und was nehmen die Studenten mit aus dem Vormittag im Rolli? >, sind sie sich einig. Benz konkretisiert: > Ihre schmerzenden Arme werden die Studenten zumindest in den nächsten Tagen daran erinnern.