Musik ist Bewegung für Vitali Kirsch. Jeden Ton, jede Melodie verwandelt er in Schritte und Figuren. 'Ich versuche mich zu jeder Musik zu bewegen, ich will meinen Körper kennenlernen', sagt der 19-jährige Lindenberger. Seit 2003 tanzt er Breakdance, nun hat er sich in Salzburg für den Europa-Vorentscheid der 'Red Bull BC One' qualifiziert, eine inoffizielle Weltmeisterschaft, die jährlich stattfindet.
Wer Vitali Kirsch, genannt Cherry, die Hand gibt, spürt die Hornhaut auf seinen Handflächen. Seine Bühnen sind nicht nur die großen Hallen, sondern auch die Straßen. Meistens ist er gemeinsam mit der Tanzgruppe Prodigyy der Tanzschule 'Floor Roc Kidz Dance School & Academy' aus Vorarlberg unterwegs. Deshalb tritt er für Österreich an.
Die Handflächen berühren den Boden, die Arme sind gestreckt, die Beine schnellen nach oben. Eine Drehung auf dem Boden, die Beine und Arme wirbeln durcheinander. Eine schnelle Schrittfolge, rhythmisch zur Musik. Selbst dem Zuschauer wird dabei fast schwindlig. 'Anfangs habe ich ziemlich viele blaue Flecken bekommen, inzwischen nur noch ab und zu Schürfwunden beim Tanzen auf der Straße'.
Dass er beim österreichischen Vorentscheid gewinnt, damit hat er nicht gerechnet. 'Das macht man nie.
Tanzen ist für Vitali Kirsch weit mehr als ein Sport, als ein Ablauf von verschiedenen Bewegungen zu Musik. Als er vor zehn Jahren von Berlin nach Lindenberg gezogen ist, hat ihn sein Cousin zum Breakdance mitgenommen. 'Ich habe dort viele gute Freunde gefunden', erzählt er. Noch heute tanzt er mit diesen Menschen in der Gruppe Prodigyy, die inzwischen weit über die Landesgrenzen und Region bekannt ist.

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Selbst Tanzlehrer
Er arbeitet als Industriemechaniker und nebenher als Tanzlehrer. Die restliche Zeit tanzt er selbst, oder ist mit der Tanzgruppe unterwegs. Er liebt die Auftritte und Wettkämpfe auf großen und kleinen Bühnen, die Fahrt in fremde Städte und Länder mit seinen Freunden und die Kreativität, die er beim Tanzen spürt. Einen festen Ablauf, eine durchgeplante Choreografie gibt es beim Breakdance nicht. 'Ich tanze so, wie ich mich fühle', sagt er. Beherrscht man die Grundschritte, die Basis, ist der Rest der eigenen Kreativität überlassen. 'Man bringt seinen eigenen Charakter mit ein, man versucht die Musik mit seinem Körper auszudrücken, mit seinen eigenen Bewegungen. Da gibt es keine Grenzen', beschreibt Vitali Kirsch. In seiner Stimme schwingt Leidenschaft und Begeisterung mit und fast etwas Ehrfürchtiges, wenn er übers Tanzen spricht.
'Ein Leben ohne Tanzen kann ich mir nicht mehr vorstellen.' Bei den Wettkämpfen trifft er Gleichgesinnte, Tänzer aus anderen Ländern und Kulturen. 'Zu sehen, wie unterschiedlich die Menschen tanzen, sie kennenzulernen, ihre Kultur, das hat mich geprägt', erzählt er.
Auf die Frage, ob er gerne allein vom Tanzen leben können würde, antwortet er mit einer Gegenfrage: 'Wer würde das nicht?'. Die Möglichkeiten seien vielfältig: Ob als Tänzer, Tanzlehrer, bei Wettkämpfen oder im Theater. 'Doch im Moment bin ich ganz zufrieden, so wie es ist.'
Gegen 16 andere Tänzer aus ganz Europa wird er im September in Rotterdam antreten. Nur einer davon wird zum Finale nach Rio de Janeiro fliegen. Auf eine den Kandidaten unbekannte Musik tanzen sie, immer einer gegen einen. Ein DJ spielt Musik, nach zwei Sets – jedes ungefähr eine Minute – entscheidet die Jury wer besser ist. Auch wenn es hierbei bestimmte Kriterien gibt, weiß Vitali Kirsch: 'Es kommt auch sehr viel auf die Jury an. Selbst wenn zwei Tänzer, die gleiche Figur machen, sieht es bei jedem anders aus.' Für die Figuren, Handstände und Drehungen braucht man viel Kraft. 'Man muss deshalb taktisch vorgehen, wie beim Schach', sagt er und lacht.
Ob er nun den Europa-Ausscheid der WM im Herbst gewinnt oder nicht – wirklich wichtig ist ihm das nicht. 'Es ist wichtig als Referenz. Toll wäre es natürlich schon', sagt der 19-jährige Lindenberger. Seine Augen strahlen. 'Ich war noch nie in Rio de Janeiro.'