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Mary Ellen Kitchens leitet das Hörfunk-Archiv des Bayerischen Rundfunks

Porträt

Mary Ellen Kitchens leitet das Hörfunk-Archiv des Bayerischen Rundfunks

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    Mary Ellen Kitchens leitet das Hörfunk-Archiv des Bayerischen Rundfunks
    Mary Ellen Kitchens leitet das Hörfunk-Archiv des Bayerischen Rundfunks Foto: laurin schmid

    Mary Ellen Kitchens hat einen Traumberuf: Wann immer sie beispielsweise Lust hat, ein Symphoniekonzert zu hören, kann sie quasi aus dem Vollen schöpfen. Denn die 52-Jährige leitet seit 2004 das Hörfunkarchiv des Bayerischen Rundfunks (BR) in München.

    Und hier finden sich alle Aufnahmen des Münchner Rundfunkorchesters wie auch des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks mit den Chefdirigenten Eugen Jochum, Rafael Kubelik, Sir Colin Davis, Lorin Maazel und seit 2003 Mariss Jansons. "Ja, das ist schon ein Luxus. Ich kann jederzeit auf diese Aufnahmen zugreifen", erzählt Kitchens. Seit über 20 Jahren leitet die in Houston (USA) geborene Musikwissenschaftlerin auch den Orchesterverein Kempten, der am 24. März im Stadttheater Kempten sein Frühlingskonzert gibt. Mit 21 Jahren kam Kitchens nach Deutschland. 'Eigentlich wollte ich nur ein Jahr lang Deutsch lernen', erinnert sie sich. Aus dem einen Jahr sind mittlerweile 31 Jahre geworden. In München studierte sie Musikwissenschaft (Abschluss Magister) und blieb hier hängen. Das erträumte Dirigentenstudium blieb ihr allerdings verwehrt. Vielleicht auch, weil in den 1980er Jahren für viele eine Frau am Orchesterpult unvorstellbar war. 'Dirigierende sind in einer Machtposition, und das assoziiert man heute immer noch eher mit Männern.' Gleichwohl ließ sie sich nicht unterkriegen und belegte nebenher Dirigierkurse, etwa bei Sergiu Celibidache in München oder bei Julius Kalmar in Wien.

    Sie gründete 1984 das Haydn-Orchester München und übernahm 1986 die musikalische Leitung der 'Munich International Choral Society'. Viele Jahre arbeitete sie als Studienreiseleiterin. 1991 landete die Musikwissenschaftlerin schließlich als Dokumentarin im Schallarchiv des Bayerischen Rundfunks und übernahm 2004 die Leitung des Hörfunkarchivs (Musik, Wort, Noten) mit rund 60 Mitarbeitern.

    Gefragte Informationsexperten

    Archivare, sind das nicht Menschen, die in der Vergangenheit leben, die das Tageslicht scheuen? 'Das war vielleicht einmal', sagt Kitchens lachend. 'Archivare und Dokumentare sind heute Informationsexperten. Wer mit Daten umgehen kann, ist gefragt. Archivare sind heute der Welt zugewandt, nicht abgewandt.'

    Aktuell beschäftigt sie sich mit der Digitalisierung des gesamten Bestands an Wort- und Musikaufnahmen des BR. Eine Mammutaufgabe. Rund 250 000 Tonbänder – gut die Hälfte des Gesamtbestandes – müssen noch digitalisiert werden. 'Das wird wohl in fünf Jahren abgeschlossen sein.' Aktuell ist Kitchens Hüterin von über 830 000 Audio-Files, jeweils die Hälfte sind Wort- und Musikbeiträge. 'Viele unserer Eigenproduktionen aus den letzten 60 Jahren sind richtige Schätze.' Als beratende Audio-Archivarin ist sie auch für die Deutsche Welle in Asien im Einsatz. Und auf den Reisen nach Sri Lanka, Vietnam und Nepal hat sie ihr Herz für diese Regionen entdeckt.

    Eigentlich hat Mary Ellen Kitchens einen Vollzeit-Job beim BR. Eigentlich. Doch die 52-Jährige ist eine Musikbesessene. Zwei Münchner Chöre leitet sie nebenher – von 1997 bis 2001 übrigens auch noch das Vocalensemble Sonthofen. Ihr Herz hängt aber auch am Orchesterverein Kempten, der 1991 einen neuen Dirigenten suchte. Kitchens bewarb sich – und bekam die Stelle. Seitdem pendelt sie zwischen München und Kempten. Legendär ist mittlerweile in Kempten ihr stets explosives Dirigat. Drei bis vier Konzerte gibt der Orchesterverein im Jahr. Der Schwerpunkt liegt auf Wiener Klassik und Frühromantik. Zudem gibt es jeweils mindestens ein Werk außerhalb des Standardrepertoires.

    Fast wöchentlich reist Kitchens deshalb mit dem Zug zu Proben an und brütet während der Fahrt über den Partituren. Warum dieser Stress? 'Ich dachte nicht, dass ich so lange hier hängenbleibe, aber die Arbeitsbedingungen sind exzellent.' Das engagierte 40-köpfige Laienorchester musiziere in guter Qualität, und ein perfekt eingespielter Orchestervorstand kümmere sich um alles Organisatorische. Kitchens: 'Bei jeder Probe gibt es tolle Momente.'

    Neuland betreten ist wichtig

    Besonders freue sie, dass das Orchester bereit sei, auch Neuland zu betreten.

    Beim letzten Herbstkonzert stand etwa die 'Carmen'-Ballett-Suite von Rodion Shschedrin mit einem Percussion-Ensemble und das Konzert für Mundharmonika und Orchester von Heitor Villa-Lobos auf dem Programm.

    Durch ihre guten Kontakte kann Kitchens auch Profi-Solisten nach Kempten locken. Zweimal traten schon Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs auf, Anton Sie (Harfe) aus den Niederlanden 2005 und Taira Kaneko (Klarinette) aus Japan 2010. 'Die Arbeit mit Profis ist für die Orchestermitglieder das i-Tüpfelchen', weiß Kitchens.

    Programm des Frühlingskonzerts des Orchestervereins Kempten am Samstag, 24. März (20 Uhr), im Stadttheater Kempten: Werke von Max Bruch (Violinkonzert g-Moll mit Marina Chiche) und Felix Mendelssohn Bartholdy (Sinfonie Nr. 3 a-Moll, 'Schottische'). Karten: Telefon 0831/22 776.

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