Nein, als Heldinnen fühlen sie sich nicht, die 14-jährige Süreyya und die 13-jährige Angelina. Und wer die beiden Mädchen im Besprechungszimmer des Duracher Bürgermeisters darüber erzählen hört, wie sie einem 55-jährigen Mann nach einem Herzinfarkt höchstwahrscheinlich das Leben gerettet haben, der nimmt ihnen ihre Bescheidenheit auch ab. 'Das hätte doch jeder gemacht – oder zumindest machen sollen', meint die blonde Angelina. Jeder hat es aber nicht gemacht an jenem Mittwoch, 1. Juni, auf dem Himmelfahrtsmarkt in Kempten. Auf einer Bierbank beim Fahrgeschäft 'Flip Fly' saß starr ein Mann, den Kopf nach hinten gelegt. 'Der ist bestimmt betrunken', kicherten sich die beiden Jugendlichen zu und wollten schon vorbeigehen – wie etliche Passanten vor ihnen. Doch dann fiel Süreyya Özdemir und Angelina Klenin auf, dass hielt und starr nach oben blickte, außerdem stand sein Mund offen und das Gesicht war blau. In dem Moment, so erinnern sich die Freundinnen, die zusammen die Wirtschaftsschule besuchen, sauste ihnen ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: 'Der ist tot, fürchteten wir, und umarmten uns erschrocken.' Doch dann machten sie andere Passanten auf den Mann aufmerksam. Eine Frau konnte schließlich bei dem 55-Jährigen keinen Puls fühlen, die Mädels wählten auf Angelinas Handy den Notruf, den die erwachsene Helferin ihr nannte. Kurz darauf war der Krankenwagen vor Ort. Nach Schätzung der Mädchen mögen fünf oder zehn Minuten seit dem Zeitpunkt vergangen sein, als sie den Kranken entdeckt haben. Der Notarzt und auch die behandelnden Ärzte des 55-Jährigen nehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass das rasche Handeln der Mädchen dem Mann das Leben gerettet hat. Denn noch im Kranken-wagen wurde der Kemptener reanimiert und stabilisiert. Gerne hätten ihn Süreyya und Angelina im Klinikum besucht, doch er wurde nach Ulm verlegt. Trotzdem wissen die Mädchen, dass sich 'ihr' Patient auf dem Weg der Besserung befindet. Denn der Bruder des Geretteten besuchte sie, bedankte sich bei ihnen und lud sie zum Pizzaessen ein. 'Ihr habt hingeschaut' Im Duracher Rathaus lobte gestern auch Bürgermeister Herbert Seger die Duracherin Süreyya und ihre Freundin aus Kempten für ihr vorbildliches Handeln: 'Nach Fällen wie etwa dem tödlichen Überfall auf einen Mann in der Münchner U-Bahn wurde eine Kultur des Wegschauens beklagt. Ihr habt hingeschaut und geholfen, anstatt den bequemen Weg zu gehen', gratulierte Seger den Mädchen zu ihrem couragierten Eingreifen mit Geldgutscheinen. Jetzt hoffen alle, dass sich der Patient nach seinem Herzinfarkt wieder völlig erholt.
Artikel: Lebensretterinnen wollen keine Heldinnen sein
