Theater: Irrer Geniestreich von Kaufbeurer Theater

30. Dezember 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
Moskitoldies

'Moskitoldies' verleihen Dürrenmatts 'Physikern' die Brisanz, die sie brauchen, um auch heutzutage zu wirken

'Genie und Irrsinn', so lautet ein Sprichwort, 'liegen nah beieinander'. Manchmal so nah, dass die Grenzen verschwimmen und sich nicht auf Anhieb erkennen lässt, ob der Betroffene noch genial oder bereits wahnsinnig ist.

In der Komödie 'Die Physiker' von Friedrich Dürrenmatt, vom Kaufbeurer Theaterensemble 'Moskitoldies' in grandioser Interpretation auf die Bühne des Stadttheaters gebracht, wird klar: In diesem Zitat steckt Wahrheit. Die Handlung des Stücks beginnt wie ein Krimi mit dem Fund einer Leiche im Irrenhaus. Das Opfer ist Schwester Dorothea, erdrosselt mit dem Gürtel eines Patienten, der sich für Albert Einstein hält. Doch kann dieser ebenso wenig zur Rechenschaft gezogen werden, wie der Mitpatient, der kurz zuvor schon eine andere Krankenschwester erwürgt hat: Er hält sich für Issac Newton und befindet sich wie Einstein seit zwei Jahren in der renommierten Klinik. Der dritte im Bunde der 'Physiker' ist Möbius, bereits fünfzehn Jahre in der Anstalt lebend. Er gibt vor, von König Salomo persönlich seine Erkenntnisse aus dem Bereich der Physik zu erhalten. Schnell wird im Verlauf der immer groteskeren Geschichte klar, dass Möbius seine Krankheit nur spielt. Schwester Monika, die für seine Pflege zuständig ist, hat diese Tatsache erkannt und sich obendrein in ihren Patienten verliebt.

Ein fataler Fehler, wie sich herausstellt. Denn auch sie ereilt das Schicksal ihrer Kolleginnen, sie wird von Möbius mit der Krawatte erdrosselt. Nach drei Leichen mit drei mehr oder weniger verrückten Tätern wird die erschreckende Grundaussage der Komödie immer klarer: Keiner der drei Patienten ist in Wirklichkeit verrückt. Newton und Einstein, mit richtigen Namen Beutler und Ernesti, sind vom Geheimdienst beauftragt, Möbius samt seiner bahnbrechenden Erkenntnisse auszuspionieren. 'Sie sind ein Genie und somit Allgemeingut', versuchen sie zu überzeugen. Doch weiß Möbius um die Brisanz seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für die Menschheit das Ende bedeuten könnten, und verbrennt seine Manuskripte. Längst hat aber die Klinikleitung in Gestalt der wirklich irrsinnigen Dr. Mathilde von Zahnd Kopien angefertigt, um sie zu veröffentlichen.

Mit der Geschichte des Schweizer Dramatikers um Macht und die Verantwortung, damit umzugehen, gelingt den 'Moskitoldies' unter der Regie von Bernhard Fritsch und Christian Hofrichter ein Geniestreich des Theaterjahres 2011 in Kaufbeuren. Gelungen der Aufbau des Spannungsbogens mit Erzähler Rochus Höhne, der mit teuflischem Grinsen in eine bizarre Szenerie einleitet und kommentiert. Die Physiker (Christian Hofrichter als Newton, Dieter Ungelehrt als Einstein, Bernhard Fritsch als Möbius) zeigten in ihren Hauptrollen brillante Leistungen, in den Nebenrollen überzeugten die Darsteller mit Witz und souveränem Spiel.

Katharina Meichelböck bietet in der Rolle der frostigen Klinikleiterin eine starke Präsenz, wenngleich ihre Schlussszene auch etwas weniger Theatralik vertragen hätte.

Durchweg gelungen und eindrucksvoll sind das Bühnenbild und die Kostüme in grellem Weiß, durch die die roten Mordwerkzeuge überdeutlich ins Auge fallen. 'Eine solche Geschichte ist zwar grotesk, aber nicht absurd', so Dürrenmatt. Und sie hat an Aktualität nichts eingebüßt – Genie und Wahnsinn liegen weiterhin nahe beieinander. Elisabeth Klein

Weitere Aufführungen finden am heutigen Freitag, 30. Dezember, sowie am Freitag, 6., und Samstag, Januar statt. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr im Stadttheater Kaufbeuren. Karten gibt es im Vorverkauf bei Lotto-Toto Engels in Kaufbeuren (Hafenmarkt 5, Telefon 08341/2313), an der Abendkasse und im Internet:

www.moskitoldies.de