Ein Gleitschirm verheddert sich in den Tragseilen der Tegelbergbahn. Rund 50 Passagiere sitzen fest, ein Teil muss die Nacht sogar in der Gondel verbringen. 200 Einsatzkräfte sind fast 20 Stunden vor Ort. Dieses Szenario spielte sich im August des vergangenen Jahres in Schwangau ab. Doch Einsatzzeiten wie damals könnten künftig zum Problem werden. Der Grund ist eine geplante neue Arbeitszeitrichtlinie der EU-Kommission. Sie sieht vor, dass die in der Freizeit geleistete Ehrenamtsarbeit ab 2013 voll unter die Höchstarbeitszeit eingerechnet werden soll. Ein Vorstoß, der bei Vertretern von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Bergwacht und Rotem Kreuz im Ostallgäu für Kopfschütteln sorgt.
'Es ist absoluter Wahnsinn, was in Brüssel geplant wird', erklärt der Ostallgäuer Kreisbrandrat Markus Barnsteiner auf Nachfrage unserer Zeitung. 'Es wäre eine Ohrfeige für die Ehrenamtlichen.' Auch Heinz Weller, Kommandant der Füssener Feuerwehr, sieht auf 'die Freiwilligkeit ein ganz großes Problem zukommen'. Denn käme die Richtlinie, wären etwa bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden nur noch acht Stunden ehrenamtliche Arbeit zulässig.
Das würde Hilfskräfte vor massive Probleme stellen. 'Bei den über 100 Einsätzen, die wir im Schnitt im Jahr haben, sind oftmals Großeinsätze dabei', so Weller. Müssten die Floriansjünger beispielsweise mehrere Stunden lang ein Feuer löschen, sei die Höchstgrenze von 48 Wochenarbeitsstunden schnell erreicht. Feuerwehrmann Stefan Stein bestätigt: 'Ich habe eine Arbeitswoche von 39 Stunden. Wir haben im Schnitt zwei Einsätze in der Woche. Die restlichen neun Stunden habe ich schnell zusammen.' Zudem hält die Füssener Wehr jede Woche eine Ausbildungseinheit ab, die bis zu zwei Stunden dauern kann. Das Resultat von Steins Rechnung: 'Ich überschreite jede Woche die 48 Stunden.'
Er fügt hinzu: 'Wie sollen dann erst Ehrenamtliche mit einer längeren Arbeitswoche die Grenze einhalten können?'
Auch beim Technischen Hilfswerk (THW) in Füssen verschlingt die Ausbildung viel Zeit: 'Alleine bei einem Lehrgang am kommenden Wochenende kommen bestimmt 50 Stunden zusammen', rechnet Zugführer Christopher Pult vor. Hinzu kämen Einsätze bei Veranstaltungen sowie Bereitschaftsdienste an 20 verkehrsreichen Tagen im Jahr, an denen das THW die Autobahnpolizei unterstützt. 'Käme die EU-Richtlinie, wäre all das nicht mehr möglich. Wir könnten zusperren', so Pult. Roger Filleböck, Bereitschaftsleiter der Pfrontener Bergwacht, hält es 'schlicht für unmöglich', Ausbildungszeiten anzurechnen.
Denn für einen Bergwachtler zum Beispiel mit einer Arbeitswoche von 45 Stunden könne es zum Problem werden auszurücken, wenn in eine Woche mit einem Lehrgang etwa ein Einsatz falle. 'Dass er dann zu Hause bleiben muss, damit er seine Stundenzahl nicht überschreitet, wäre absoluter Käse.'
Berufsfeuerwehr nicht machbar
Massiv betroffen wäre auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK) mit seinen 2065 Ehrenamtlichen im Ostallgäu. Dürften sie sich nur noch für eine begrenzte Anzahl von Stunden engagieren, müssten theoretisch Hauptamtliche die Ausfälle kompensieren, erklärt Thomas Hofmann, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes. 'Die Frage ist jedoch, wer das finanzieren soll.'
Zudem, so Hofmann, habe die jetzige Struktur den Vorteil, dass 'bei Großeinsätzen viele Freiwillige rekrutiert werden können'. In einer Berufsfeuerwehr zum Beispiel sei die Zahl der Helfer begrenzt. Die hält Kreisbrandrat Markus Barnsteiner im Übrigen für unrealistisch: 'Das ist nicht machbar. Die komplette deutsche Gesetzgebung müsste geändert werden.' Er hofft nun auf den Widerstand deutscher Politiker in Brüssel.