Nachdem die Gaspreise in den letzen Wochen schon massiv gestiegen sind, könnten die Preise noch weiter in die Höhe schnellen und sich sogar verdreifachen. Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck machte dafür mit deutlichen Worten den russischen Präsidenten Wladimir Putin verantwortlich. Der Vizekanzler rief die zweite Stufe im "Notfallplan Gas" aus und appellierte an die Industrie und die Bürgerinnen und Bürger Gas und Energie zu sparen: "Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland", erklärte Habeck.
"Putin will, dass sich unser Land zerlegt"
Die Ursache dafür, dass die Bundesregierung am Donnerstag die zweite Eskalationsstufe des "Notfallplan Gas" ausgerufen hat, sind die gedrosselten Gaslieferungen Russlands nach Deutschland. Die Gaspipeline Nord Stream 1 sei um 60 Prozent gedrosselt worden. Habeck schließt auch einen völligen Stopp der Lieferungen nicht aus. Das Argument, dass es an der Pipeline technische Probleme gebe, sei ein Vorwand. In Wirklichkeit handele es sich um eine politische Maßnahme aus Moskau.
Die klare Ansage des Bundeswirtschaftsministers: "Wir befinden uns in einer ökonomischen Auseinandersetzung mit Russland. Gas und Energie wird als Waffe gegen Deutschland eingesetzt". Mit den daraus resultierenden hohen Gaspreisen wolle Putin Unsicherheit, Angst und Frust in Deutschland erreichen. Außerdem sei das Ziel Russlands Habecks Meinung zufolge, das zu zerstören was Deutschland und Europa in letzter Zeit ausgemacht hat: Nämlich die große Geschlossenheit, die große Solidarität mit der Ukraine und die große Bereitschaft für die Verteidigung von Freiheit einen Preis zu zahlen. "Putin will, dass sich unser Land zerlegt. Aber wir zerlegen uns nicht", machte der Vizekanzler deutlich.Weitreichende Folgen möglich
Zwar seien die Speicher für Gas noch überdurchschnittlich gut gefüllt und auch die Versorgung sei aktuell noch stabil, trotzdem dürfe man sich laut Habeck nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn die gedrosselten Lieferungen könnten nicht nur hohe Gaspreise, sondern auch Auswirkungen auf alle Lebensbereiche nach sich ziehen. Habeck zählte eingestellte Produktionen in Unternehmungen, Entlassungen, zusammenbrechende Lieferketten und mehr verschuldete bzw. ärmere Menschen wegen Heizungsrechnungen als Folgen auf. "Wenn das Gas nicht ausreicht, müssten bestimmte Industriebereiche, die Gas benötigen, abgeschaltet werden", sagte er außerdem. Der Minister für Wirtschaft und Klimaschutz sprach zwar auch von weiteren Entlastungen, er machte jedoch keine Hoffnungen "alles auffangen" zu können.
Sparmaßnahmen sind nun angesagt
"Es wird auf jeden Fall knapp im Winter", warnte Habeck. Sein Appell galt deshalb der Industrie und den Verbrauchern. Der Gasverbrauch solle möglichst weiter reduziert werden. Bereits vor Kurzem rief das Wirtschaftsministerium mit einer neuen Kampagne unter dem Motto "80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel" zum Energiesparen auf. Dabei ging es um den schnellen Wechsel von fossilen Energieträgern hin zu Erneuerbaren, aber auch darum, dass man vom intensiven Verbrauch Abstand nehmen müsse und sich sparsamer und effizienter verhalten solle. Nun warb Habeck erneut dafür, dass jede Bürgerin und jeder Bürger einen Beitrag zum Energiesparen leisten können. "Es ist sinnvoll, jetzt im Sommer bei der Heizung einen hydraulischen Abgleich zu machen, damit die Wärme besser verteilt wird. Das spart rund 15 Prozent Energie und Kosten. Und im Winter ein Grad runterdrehen bringt noch mal 6 Prozent weniger. Bei 41 Millionen Haushalten wird aus diesen kleinen Dingen etwas Großes", nannte Habeck als Beispiele für konkrete Maßnahmen. Außerdem würde Habeck es begrüßen, wenn die Menschen in diesem Sommer lieber mit der Bahn in den Urlaub fahren würden, als mit dem Flieger ans Mittelmeer zu reisen. Er selbst wolle ein gutes Beispiel sein. "Ich halte mich an das, was mein Ministerium empfiehlt", sagte Habeck. Im Winter heize er sowieso sparsam und zum Beispiel habe er, um mehr Energie zu sparen, seine mit fünf Minuten sowieso schon kurze Duschzeit noch einmal deutlich verkürzt.
Kohlekraftwerke statt Gaskraftwerke
Als zusätzliche Maßnahme, um die Energieversorgung zu gewährleisten, kündigte der Wirtschaftsminister an, dass man Kohlekraftwerke wieder reaktivieren wolle. Die Grundlage dafür hat das Bundeskabinett mit dem Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor geschaffen. Die Maßnahme rief bei Umweltschützern Entsetzen hervor. Aber auch die Industrie hat Habeck, was das Energiesparen angeht, im Blick. Das Wirtschaftsministerium will nämlich ein spezielles Auktionsmodell entwickeln. Dabei sollen Unternehmen, die Gas einsparen, die Mengen an andere Unternehmen verkaufen können. Das Modell soll noch im Sommer starten. Um die aktuelle Situation zu beurteilen gibt es im Wirtschaftsministerium inzwischen einen täglichen Krisenstab.