Interview: Friedrich Wilhelm Möller erarbeitet mit dem Oratorienchor Wangen den Messias

14. Dezember 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
privat

'Es wird schneller, leichter musiziert'

Der Oratorienchor Wangen unter Leitung von Friedrich-Wilhelm Möller hat sich Händels Messias für sein vorweihnachtliches Konzert am 18. Dezember (17 Uhr in der Nikolaikirche Isny) und 26. Dezember (17 Uhr in der Stadtpfarrkirche Wangen) ausgesucht.

Chorleiter Möller will das Oratorium konsequent in historischer Aufführungspraxis interpretieren. Im Gespräch mit Ingrid Grohe erklärt er, dass die Sänger dabei mit einem altertümlich klingenden Englisch klarkommen müssen. Herr Möller, warum haben Sie sich für historische Aufführungspraxis entschieden?

Friedrich Wilhelm Möller: In der Region ist sehr selten ein Barock-Orchester zu hören. Andererseits steht der Trend zu historischer Aufführungspraxis schon seit einigen Jahrzehnten in voller Blüte. Deshalb lag es nahe, für ein barockes Werk mal ein solches Orchester zu verpflichten.

Welches Orchester wird den Messias in Isny und Wangen spielen?

Möller: Das Arsatius-Consort Freiburg. Es setzt sich aus Musikern aus dem süddeutschen Raum zusammen, darunter Ekkehart Mirwald und sein Sohn Johannes aus Weiler. Die Musiker spielen auf historischen Instrumenten.

Besitzt jeder von Ihnen ein solches Instrument?

Möller: Ja. Aber es gehört auch dazu, sich darauf ausbilden zu lassen. Streicher brauchen eine ganz eigene Spieltechnik. Die Geigen sind mit Darmseiten bespannt, der Bogen ist anders gekrümmt. Sie können nicht einfach einen normalen Geiger hinsetzen und ihm eine Barockgeige in die Hand drücken.

Sind die Instrumente nachgebaut oder tatsächlich jahrhundertealt?

Möller: Sowohl als auch. Es gibt Instrumente, die aus dieser Epoche stammen. Inzwischen haben sich gute Instrumentenbauer auch auf barocke Instrumente spezialisiert. Sie schaffen es, diese Ästhetik für ihre neuen Instrumente zu erreichen.

Was zeichnet diese besondere Ästhetik aus?

Möller: Zur Zeit von Bach und Händel waren die Instumente klanglich sanfter, aber obertonreicher. Das bezieht sich auf Geigen ebenso wie auf Blasinstrumente. Mit der Verbürgerlichung des klassischen Musikbetriebes musste die Musik größere Räume füllen. Deshalb wurden die Instrumente lauter und widerstandsfähiger. Das war sicher ein Fortschritt in der Technik, aber auch ein Verlust an Farbenreichtum und Poesie dieser Ausdeutung.

Sind Barockinstrumente schwerer zu intonieren?

Möller: Die Streichinstrumente sicherlich nicht. Die Blasinstrumente sind schwerer zu spielen – daran waren die damaligen Spieler aber gewohnt. Als in der 50er Jahren die historische Interpretation aufkam, mussten sich die Musiker an die spezielle Technik gewöhnen. Heute können das viele wunderbar, das war vor 50 Jahren nicht so – was man manchen Aufnahmen anhört.

Welche Herausforderung ergibt sich aus Ihrem Konzept für die Sängerinnen und Sänger des Oratorienchors?

Möller: Manches ist ungewohnt. Vor allem die Sprache. Wir verwenden ein gewisses Shakespeare-Englisch und nähern uns dieser speziellen rhetorischen Aussprache an.

Auch die Phrasierung der Musik wird der barocken Aufführungspraxis angenähert: Es wird schneller musiziert, leichter, mit mehr Akzenten und artikulatorischen Effekten.

Wie meistert das der Oratorienchor?

Möller: Er hat sich zu Beginn ein wenig schwer getan und dann die Herausforderung angenommen. Im Interpretationsvergleich verschiedener CDs waren die Sänger schnell begeistert von der der Frische und Lebendigkeit der historischen Aufführungspraxis.

Das ergibt wohl für manche Konzertbesucher ein ungewohntes Hörerlebnis.

Möller: Ich denke, auch das Publikum muss sich vielleicht an das Englisch gewöhnen. Aber mit dem barocken Klang wird es keine Probleme haben. Das ist einfach eine sehr feine Spielart, die man auch im Radio hört oder als CD kauft. Außerdem sind die Menschen der Region weltoffen. Viele fahren nach Bregenz, Stuttgart und München und haben solche Konzerte bereits gehört.

Kartenvorverkauf: In Isny unter (0 75 62) 97210, in Wangen: Musikhaus Förg, (0 75 22) 21 987.