Immer wenn Erich Jörg durch Grünenbach fährt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Ein zufriedenes und auch ein bisschen stolzes. Denn am Ortsrand von Grünenbach steht eine große Eiche. Dass dieser Baum dort heute noch steht, ist der Verdienst des Vorsitzenden des Bund Naturschutzes (BN) im Landkreis Lindau. Seit 25 Jahren steht der heute 64-Jährige an der Spitze des Kreisverbandes. Fragt man ihn nach seinen Erfolgen, fällt ihm immer wieder diese Eiche ein. 'Es ist vielleicht kein großer Erfolg, aber ist ist mein persönlicher Lieblingserfolg', sagt der hochgewachsene Mann mit dem freundlichen Gesicht.
In den 1990er-Jahren sollte die Friedenseiche an der Kreisstraße im Zuge des Straßenausbaus weichen. Die Begründung lautete, der Baum würde die Bauarbeiten sowieso nicht überleben, erzählt Jörg weiter. 'Ich habe ein Gutachten von einem Förster eingeholt und den Landrat so überzeugt', erinnert er sich.
Hunderte von Briefen, Petitionen und Stellungnahmen hat er die vergangenen Jahre geschrieben. Ruhige Zeiten gab es bei ihm nie. 'Wir haben zwar keine Macht, aber die Freiheit zu machen, was mit demokratischen Mitteln gestattet ist', sagt Jörg. Und diese nutzt er – auch wenn ihn die Wege bis vor Gericht führen.
Nicht nur Erfolge, auch Niederlage gehören zur Arbeit des Bund Naturschutz dazu. Die bitterste war für Jörg die Klage vor dem Münchner Verwaltunggericht bezüglich des Gewerbegebiets in Weißensberg-Rothkreuz, die abgewiesen wurde. Auch sonst haben er und seine Kreisgruppe einen kritischen Blick auf den 'Landschaftsfraß', wie er es nennt. Immer wieder meldet sich der BN zu Wort, wenn neue Baugebiete erschlossen werden sollen. 'Es gibt oft so viele Brachflächen, die nutzbar wären', ist er überzeugt.
Wer sich einmischt, seine Meinung sagt und auch mal unpopuläre Positionen vertritt, macht sich nicht nur Freunde. 'Ich musste im Laufe der Jahre auch erst lernen, damit umzugehen', sagt Jörg. Dabei habe es auch Zeiten gegeben, wo er darüber nachgedacht habe, den Vorsitz abzugeben und zurückzutreten.

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'Es ist wichtig, die sachlichen Argumente vom Persönlichen trennen', ist Jörg überzeugt. Geholfen hat ihm dabei auch immer sein Team. 'Es ist wichtig, wenn man Menschen hat, die hinter einem stehen.'
Bringt man kritische Themen vor kommt es – so ist Jörg überzeugt – vor allem auf eines an: 'Man darf nicht poltern.' Verliert er eine Auseinandersetzung, kann er so etwas auch akzeptieren. 'Wichtig ist, es zu versuchen.'
Nicht nur dagegen
Doch er und der Kreisverband haben in den vergangenen Jahren nicht nur interveniert und protestiert, sondern auch selbst Projekte angestoßen. 'Wir sind nicht nur Nein-Sager', betont Jörg und fügt hinzu: 'Wir sagen Ja zu vielen Dingen.' Als Beispiel nennt er das Lindauer Apfelsaft-Projekt, das es seit 2003 gibt. Die Äpfel von Streuobstwiesen werden gesammelt und zu Saft gepresst. Das Ziel: durch die Vermarktung die das Landschaftsbild prägenden Streuobstwiesen zu erhalten. Auch bei Moorrenaturierungen wie im Scheidegger Hagspielmoor engagiert sich der BN gemeinsam mit der Gemeinde.
Die Natur war Erich Jörg schon immer wichtig. 'Ich bin so aufgewachsen. Meine Eltern waren sehr naturverbunden und haben uns immer mitgenommen', erzählt der ehemalige Krankenkassenfachwirt. Mit 22 Jahren hat er sich dann das erste Mal aktiv für den Naturschutz engagiert. 'Mich hat die Verbauung in den Alpen gestört, und als in der Schesaplana eine Seilbahn gebaut werden sollte, wollte ich nicht mehr nur zuschauen', erinnert sich Jörg. Ihm gelang es, einige Alpenvereine zu mobilisieren. Die Seilbahn wurde nicht gebaut. Seit 1970 ist er Mitglied beim Bund Naturschutz 'Im Verband kann man etwas erreichen, als Einzelkämpfer ist das oft schwierig.'
Aufgewachsen ist der heute 64-Jährige im Ostallgäu. Vor 40 Jahren zog es ihn aus beruflichen Gründen an den Bodensee und von dort nicht mehr weg. 'Die Weite des Sees, dahinter die Alpen, etwas Schöneres kann man sich nicht vorstellen.' Die Hände ruhig auf dem Schoß, sitzt er im Naturschutzhäusle, der Geschäftsstelle der BN–Kreisgruppe, direkt am Bodensee und wirft ab und zu einen Blick nach draußen. Auf dem Fensterbrett liegt griffbereit ein Fernglas. Doch am liebsten verbringt Jörg, der vor 15 Jahren sein letztes Auto verkauft hat, seine Zeit draußen – in der Natur. Mit einem aufmerksamen und auch liebevollen Blick für die Schönheiten.