Sie heißen 'Back-Factory' und 'Back-Werk' und locken Kunden mit durchaus betörenden Duftwolken. Das lässt an sprichwörtlich warme Semmeln denken. Aus dem Ausland herbeigeschaffte tiefgekühlte und vorgefertigte Teiglinge werden beim Discounter auf Knopfdruck – 'täglich frisch von früh bis spät', wie der Werbespruch verheißt – hübsch gebräunt aus dem Ausgabeschlitz geworfen. Wie soll da eine immer noch traditionell arbeitende Backstube um die Ecke bestehen, wo der Meister schon bald nach Mitternacht den Ofen anheizt und zusammen mit dem Gesellen den aufgegangenen Sauerteig ins Rohr einschießt?
Und doch, die rein handwerklich arbeitenden Bäckereien müssen sich offensichtlich nicht nur mit den Brosamen des Metiers abfinden. Jedenfalls im Oberallgäu lassen sie sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen, wie eine Umfrage unserer Heimatzeitung ergab.
Von brotloser Kunst angesichts der Übermacht an sonntäglichen Tankstellen-Semmeln und werktäglichen 'Aufbäckereien' wollen die befragten Meister zwischen Obermaiselstein und Immenstadt nichts hören, auch wenn ihre Zunft unter vielerlei Geschäftsschließungen in den letzten Jahren geplagt wurde. Viele Kleinbetriebe hielten der Billig-Konkurrenz nicht mehr stand. Dabei sind die Deutschen laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks Weltmeister im Verzehr von Brot, Brötchen, Brezen, Baguette und Ciabatta.
Wertschöpfung für die Region
Der Innungsobermeister für Kempten und das Oberallgäu, Erwin Weber aus Altusried, ist fest davon überzeugt, dass seine annähernd 50 nach handwerklicher Tradition arbeitenden Berufskollegen ihre Chancen auf dem Markt nutzen können. Die Pluspunkte für die kleinen Bäckereien erkennt Weber darin, dass sie Rohstoffe aus der Region verwenden, auch Milch und Butter von hier. 'Das ist Wertschöpfung für die Region', sagt Weber, der nichts mehr bedauert, als dass mal wieder in einem Ort die alteingesessene Bäckerei auch als Treff fürs Dorfgespräch dichtmacht.
Weber weiß vom eigenen Geschäft her, dass ein Brezenteig, der von Bäckerhand geknetet und eben nicht durch die Maschine gejagt wird, als resches Endprodukt ganz anders schmeckt. Natürlich sind in dieser Beziehung auch chemische Substanzen und Konservierungsstoffe für ihn ein totales Tabu. Hans Gotzler aus Oberstdorf, jetzt Ehrenobermeister der Bäckerinnung, freut sich über jene Kundschaft, die nach echt knusprigen Schätzen aus dem Ofen lechzt. Selbst wenn die Semmeln beim Traditionsbäcker um die Ecke teurer sein sollten, 'Qualität wird wieder geschätzt', weiß der Fachmann.
Zwar haben in Oberstdorf in den letzten 40 Jahren von einstmals 14 Bäckereien nur vier eigenständige Backbetriebe überlebt. Und in Immenstadt sind von acht Bäckern vor 20 Jahren nur zwei übrig geblieben, bei jetzt elf Verkaufsstellen fürs tägliche Brot. Doch Franz Ettensperger, der die Schlossbäckerei im 'Städtle' am Laufen hält, will sich trotz Sechstage-Woche und nächtlicher Arbeitszeit nicht einfach verkrümeln. Mit einer Backstraße hat er nichts im Sinn. Und über 'aufgeblasene Semmeln' kann er nur verächtlich die Nase rümpfen.
Ein Mitstreiter in diesem Sinne ist der 'Dorfbäcker' von Obermaiselstein, Thomas Evdokiyos. 'Wir machen alles noch selber', schwingt sein Stolz auf dieses alte Handwerk mit . Den Meister freut es jedes Mal, wenn bei ihm die urlaubende Kundschaft hereinschneit und anerkennend staunt: 'Bei Ihnen schmeckt es ja ganz anders als daheim.'