Karikatur-Serie (1): Drsquor Balthes ist sein Bua - Zeichner Manfred Küchle nimmt für unsere Zeitung Lustiges und Ärgerliches aufs Korn

5. November 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
ja¶rg schollenbruch

Seine 'Balthes'-Karikaturen kennen die Leser unserer Zeitung seit nunmehr 20 Jahren. Regelmäßig kommentiert der kauzig-schlitzohrige Allgäuer mit den langen Haxen, dem Vollbart und dem Filzhut kuriose Begebenheiten der Region. 'Der Balthes', sagt sein Schöpfer Manfred Küchle, 'ist ein einfacher Kerl, der alles hinterdenkt. Er darf dabei auch mal eine falsche Meinung haben.'

Über 880 Balthes-Karikaturen sind seit 1991 auf der Seite 'Allgäu-Rundschau' erschienen. Zusätzlich zeichnete Küchle für unsere Zeitung weitere 850 allgemeine Karikaturen. Der Balthes trat im Dezember 1991 in unserer Zeitung die Nachfolge des 'Kleschpes' an, einer Figur, die der Grafiker und Karikaturist Hans Mücksch (1911 – 1992) entwickelt hatte. Für Manfred Küchle war dies zunächst alles andere als eine leichte Aufgabe. Denn der 'Kleschpes', der mit langer Nase und halsloser Figur irgendwie auch an das legendäre HB-Männchen erinnerte, war bekannt und beliebt. Und jetzt sollte er einen Nachfolger erfinden. Eine neue, eigenständige Figur entwickeln, die 'Allgäuer Weltgeschichte' auf sympathisch-süffisante Art und Weise kommentiert.

Nach und nach nahm die Figur Konturen an. Ledig und männlich sollte dieser Allgäuer sein, ein traditionell geprägter Landmensch, der in der Stadt wohnt, keine feste Anstellung und eine Abneigung gegen alles Moderne hat. 'Der Balthes ist ein Bauernbua, der den Hof nicht gekriegt hat, also eine völlig überflüssige Figur', sagt Küchle und grinst schelmisch. 'Eigentlich ist er so etwas wie ein Reserve-Bürgermeister, der sich auf alles seinen Reim macht. Er ist nicht der Intelligenteste, aber der Gewiefteste.' Und das Wichtigste: 'Der Balthes sagt, wie’s isch, ungeschönt und ohne Rücksicht. Und er hat sehr viel gegen unsere Tralala-Gesellschaft.'

Ja, es stecke natürlich schon einiges an Küchle im Balthes, gibt der Mann mit der spitzen Feder zu. Wäre es nach ihm gegangen, hätte Balthes Ignaz geheißen. Doch weil es damals einen berühmten Namensvetter gab – den aus Kempten stammenden Bundespolitiker und Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle (1930 – 2006), wurde der Name in Balthes geändert.

In der Regel mittags bestellen die Redakteure der Allgäu-Rundschau bei Küchle per Telefon eine Karikatur zu einem Zeitungsbericht, der am nächsten Tag erscheinen soll.

Von 12 bis 14 Uhr entwirft er in seinem Büro im ersten Stock eines ehemaligen Bauernhauses drei bis vier Karikaturen und schickt sie dann per Fax in die Redaktion. Später macht er sich am Zeichenbrett an den Feinschliff des gewünschten Entwurfs. Seinen Balthes zeichnet Küchle mit Bleistift vor, dann folgt die Ausarbeitung mit Tuschefeder.

Eine Karikatur ist für ihn eine 'zeichnerische Erzählung'. Die Karikatur setze der Illustration eins drauf. 'Es ist eine Kurzerzählung auf den Nenner gebracht.' Zu kompliziert dürfe sie nicht sein und sie müsse verbreitet werden. 'Im stillen Kämmerle nützt sie nichts.'

Als 'detailversessen' bezeichnet sich Küchle. Die Perspektiven müssen stimmen, Körperhaltungen, Bewegungen natürlich auch. 'Die Körpersprache ist ein wichtiger Teil der Karikatur', sagt der Dietmannsrieder, der auch die Texte in einem 'Durschnitts-Allgäuerisch' (Küchle) schreibt.

Kurios: Als ein Mauerbau in einem Unterallgäuer Dorf für Wirbel sorgte und Naturschützer protestierten, weil Igel nicht mehr auf das Grundstück kommen konnten, zeichnete er in seiner Karikatur eine Betonmauer mit 'Igellöchern'. '14 Tage später waren in der Mauer tatsächlich Löcher drin', erzählt Manfred Küchle schmunzelnd. 'Man sieht: Karikatur kann auch etwas bewirken.'