Ob wegen Olympia in Garmisch, einer Rodelbahn am Buchenberg oder einem Einkaufsmarkt neben einem Pfrontener Seniorenzentrum, vielerorts mischen sich Bürger in Bayern und im Ostallgäu aktiv mit einem Bürgerbegehren in die politische Entscheidungsfindung ein. Mit "Mehr Demokratie leben!" hatte Jutta Jandl daher ein topaktuelles Thema für das 27. Sonntagsgespräch der SPD gewählt.
Der Frage, ob wir in Deutschland direkte Demokratie auf allen Ebenen brauchen, diskutierten Dr. Klaus Hahnzog, Verfassungsrichter, Mitglied des Kuratoriums für mehr Demokratie und der Zukunftswerkstatt > beim Bundesvorstand der SPD, und Dr. Jochen Wagner, der evangelische Theologie und Philosophie studiert hat und als Studienleiter an der Evangelischen Akademie Tutzing beschäftigt ist. Hahnzog plädierte für direkte Demokratie auch auf Bundesebene: Er verwies dazu auf die in Bayern 2005 per Volksentscheid eingeführten Bürgerbegehren, welche den Menschen unmittelbar und parteiübergreifend die Möglichkeit geben, kommunale Entscheidungen, die ihnen wichtig sind, selbst zu treffen oder zu beeinflussen.
Das habe eine nicht zu unterschätzende, friedensstiftende Wirkung. Der Bürger werde so vom protestierenden Wutbürger zum selbst mitentscheidenden Mutbürger, erklärte er. Sein Diskussionspartner Jochen Wagner sah durchaus die Vorzüge von mehr direkter Demokratie in unserer Gesellschaft, äußerte sich jedoch sehr skeptisch über das dafür notwendige, politische Bürgerengagement. Der Mensch an sich sei unpolitisch und werde nur aktiv, wenn er selbst betroffen ist. Nur wenige gingen zur Wahl, die Jugend sei frustriert über das Establishment.
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In der Diskussion mit den Zuhörern wurde die Frage gestellt, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit mehr direkte Demokratie eingeführt werden kann. Hahnzog nannte eine frühere Bürgerbeteiligung bei einem Volksentscheid, eine Senkung der Hürden für Bürgerbegehren und -entscheide sowie eine finanzielle Unterstützung von Volksentscheiden. Zudem müsste eine Beratungsinstanz geschaffen werden. Wagner mahnte an, dass bereits in der Kindererziehung und im Schulsystem die Spielregeln politischer Beteiligung gelernt und geübt werden müssten. Die SPD-Bezirksvorsitzende Ilona Deckwerth sah in der direkten Demokratie die Chance für Parteien und Entscheidungsträger, schneller herauszufinden, ob man auf dem richtigen Weg ist.
Einen Wandel in der Bildungspolitik mahnte ein weiterer Diskussionsteilnehmer an: Die Jugend werde nur noch auf ihre Rolle als Arbeitskraft in der Wirtschaft getrimmt, sie müsse aber verstärkt an gesellschaftliches Engagement herangeführt werden.
Gar nicht weit auseinander
Die wenigen Zuhörer im Rathaussaal hörten eine interessante Diskussion, in der die Gesprächspartner in ihren Ansichten gar nicht so weit auseinander waren - und das lag nicht nur daran, dass sich beide mit viel Humor als Fußballspieler und bekennende Fußballfans offenbarten.
Die verschiedenen Blickwinkel des Juristen beziehungsweise Theologen mit philosophischem Hintergrund ermöglichten eine vielschichtige Beleuchtung des aktuellen Themas, die mehr Resonanz verdient gehabt hätte.