Lange Tradition und gutbürgerlicher Gasthof oder modernes Restaurant und neues Konzept: In unserer Serie 'Wirtshaus-G’schichten' stellen wir Gaststätten in und rund um Buchloe vor und werfen einen Blick in die Speisekarte und in die Chroniken des Hauses sowie hinter die Kulissen.
Fröhliche Menschen sitzen gesellig in der Wirtschaft zusammen. Sie genießen ihren wöchentlichen Stammtisch, singen gemeinsam Lieder und haben gute Laune. Doris Müller schwelgt in Erinnerungen aus ihrer Kindheit. 'Das waren schöne Abende damals. Heute gibt es so etwas fast gar nicht mehr', sagt sie. Die 58-Jährige führt gemeinsam mit ihrem Mann Werner das Gasthaus 'Sonne' in Lamerdingen. 1991 hat das Ehepaar es von Doris’ Vater Johann Fischer übernommen.
Werner und Doris Müller erledigen die Arbeiten im Gasthaus zu zweit und kümmern sich gleichzeitig um die zugehörige Metzgerei. Feste Angestellte haben sie keine. An diesem Nachmittag ist die Gaststätte leer. 'Kein Einzelfall', sagt Werner Müller.
Gelegentlich ertönt eine Klingel. Ein Kunde hat die Metzgerei betreten. Dann steht einer der beiden auf und kümmert sich darum. 'Ohne die Metzgerei könnten wir nicht mehr überleben', sagen die Besitzer. 'Das Dorfleben spielt sich nicht mehr in der Wirtschaft ab', klagt Werner Müller. 'In den letzten 15 Jahren gab es da einen enormen Wandel, auch das Rauchverbot hat seinen Teil dazu beigetragen.' Dorfhäuser oder Vereinsheime stellen eine enorme Konkurrenz dar. 'Aber es jammern alle Wirtschaften auf den Dörfern', fügt der 60-Jährige hinzu.
Aufgeben komme nicht infrage: 'Wir sind mit viel Leidenschaft dabei.' Auch wenn das tägliche Geschäft nicht zu Wünschen der Familie läuft, Sonderaktionen und spezielle Events ziehen die Leute noch immer in die 'Sonne'. Dazu gehören im Sommer spezielle Grill- oder Pizzaabende im Biergarten. Von November bis Ostern veranstalten die Müllers jeden Dienstag ein Schlachtschüsselessen. 'Dann kommen die Gäste auch von weiter her', sagt Werner Müller. Stolz blickt er auf die Bilder von Eishockeyspielern, die die Wand der Gaststube zieren. Etwa der ESV Kaufbeuren komme jährlich einmal mit dem kompletten Team vorbei. Müller zeigt auf ein Autogramm von Nationalspieler Patrick Reimer. 'Schon mit seinem Vater war ich befreundet.'
Auch größere Versammlungen mit über 100 Gästen füllen die Kassen. Dann ist der Saal im Obergeschoss prall gefüllt. Doris Müller kocht alles selbst, 'hausgemachte Brotzeiten', wie sie sagt. 'Das Fleisch kommt bei uns immer aus eigener Herstellung der Metzgerei', betont ihr Mann.
Doris Müller ist mit der 'Sonne' groß geworden. Schon als Kind habe sie im Wirtshaus mitgeholfen. Nach dem Tod ihrer Mutter, damals war Doris gerade 22 Jahre alt, 'musste ich noch mehr Verantwortung übernehmen', erzählt sie.
Auf die Frage, ob sie jemals etwas anderes im Sinn gehabt habe, als die Wirtschaft zu übernehmen, zuckt sie mit den Schultern und sagt: 'Mich hat zwar niemand gezwungen, aber eigentlich war es mir immer klar, in die Fußstapfen meiner Familie zu treten.'
Das Haus in Lamerdingen blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück: Schon 1730 ist es in einer Chronik vermerk. Damals als Bäckerei. Bei dem großen Brand in Lamerdingen 1874 ist es komplett abgebrannt. Doris Müllers Großvater hat es dann wieder aufgebaut und bereits damals unter dem Namen 'Sonne' mit zugehöriger Metzgerei geführt. Bis heute ist es in den Händen der Familie. Nach ihrem Großvater übernahm es Doris Müllers Vater, anschließend sie selbst mit ihrem Ehemann Werner.
'Am Haus hat sich seit Langem nicht mehr viel geändert', erzählt die 58-Jährige. Nur 1953 gab es einen größeren Umbau.
'Irgendwann wird es die Sonne aber nicht mehr geben', sagt das Ehepaar. 'Unser Sohn wird das Gasthaus zumindest nicht übernehmen.' Erst wenn das Wirtshaus einmal leer steht, meint Werner Müller, werden die Bewohner merken, was ihnen fehle. 'Die Leute sehen es als selbstverständlich an und sagen sich: Der Wirt macht das schon.'