"Das können sie niemanden draußen vermitteln, dass ein Beamter Stress hat." Wolfgang Joos ist Finanzbeamter. 50 Jahre, weißes Polohemd, Hirschlederhose, Vollbart und Schweißperlen auf der Stirn. Joos hat seinen Arbeitsplatz im Service-Zentrum im Finanzamt Immenstadt. Dort nimmt er sich den Fragen der Bürger an, stellt Lohnsteuerkarten aus und prüft nebenbei Steuererklärungen. Rund 30000 Fälle hat das Finanzamt in Immenstadt Jahr für Jahr zu bearbeiten. Aber heuer dauert das länger als üblich. Bis zu drei Monate. Die Gründe: Softwareprobleme und zu wenig Personal. Chronisch.
>, sagt Hauptsachgebietsleiter für Einkommenssteuer Gerhard Straubinger. Dann nimmt er einen Kugelschreiber und deutet damit auf eine Liste: > Alles ist geregelt. Alles wird erfasst. Welcher Mitarbeiter wie viele Fälle bearbeitet. Wann die Fälle eingehen und wie lange sie liegen bleiben. Es gibt kaum einen Arbeitsvorgang, der nicht dokumentiert wird. So stehen die rund 100 Finanzbehörden in Bayern untereinander permanent im Vergleich. >, sagt Straubinger und erklärt ein anderes Zahlenwerk.
Derzeit sind 78 Mitarbeiter im Finanzamt Immenstadt, eine Außenstelle der Kemptener Behörde, beschäftigt. Davon arbeiten 38 Prozent in Teilzeit. 72,84 Vollzeitstellen sollten es sein, um die rund 30000 Fälle aus dem südlichen Oberallgäu regulär bearbeiten zu können. Netto sind es knapp 65. Und: der Altersdurchschnitt beträgt exakt 51,36 Jahre. >, sagt Straubinger.
Beschwerden häufen sich
Stefanie Deutsch ist 25 Jahre jung. Abitur. Abschluss an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Herrsching. Obwohl sich die Beschwerden häufen, ist sie motiviert. > Deutsch arbeitet die Steuersachen Selbstständiger ab. Von H bis L. Sie reizt, dass jeder Fall anders ist.
Ist die staatliche Unterstützung für das studierende Kind Einkommen oder nicht? Zu wie viel Prozent darf Selbstständiger X sein Auto als Dienstwagen abrechnen? Stimmen die Angaben? >, sagt Deutsch. Denn viel davon hat sie nicht. Hinzu kommen jährlich Änderungen im Steuerrecht. Seitenweise. > So trage auch der Einzelne dazu bei, dass das Steuersystem immer komplexer, statt einfacher werde.
Die entsprechende Aktualisierung der Steuersoftware der Finanzbeamten sorgte dieses Jahr mitunter für weitere Verzögerungen.
Nun gilt es aufzuholen. Daran arbeitet auch Wolfgang Joos. Wenn er dazu kommt. Er sitzt derzeit alleine im Service-Zentrum im Erdgeschoss. Eigentlich sollten hier drei Personen arbeiten. Stress lässt er sich jedoch nicht anmerken. Auch dann nicht, wenn sich der Wartebereich nicht zu leeren scheint. Mit einer gewissen routinierten Ruhe kümmert er sich um die Anliegen. >, beschreibt er seinen Anspruch. Ist einmal wenig los, arbeitet Joos Steuererklärungen ab. Quote machen. >