Serie: Die 35-jährige Veronika Vogt aus Mindelheim saniert derzeit ihr denkmalgeschütztes Haus

26. September 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
melanie hofmann

Leben mit der Stadtmauer

Unsere Serie 'denkwürdig' beschäftigt sich mit Gebäuden im Landkreis Unterallgäu, die unter Denkmalschutz stehen. Wir wollen die Besonderheiten dieser Häuser, Kirchen und Schlösser ein wenig ins Licht rücken und zeigen, wie die Besitzer damit und manchmal auch darin leben.

Mindelheim Veronika Vogt lebt täglich mit der Mauer. Mit der Mindelheimer Stadtmauer, um genau zu sein. Denn ein Teil dieser Stadtmauer ist gleichzeitig auch eine Seitenwand ihres Hauses. Das ist auch der Grund, warum das 1819 erbaute Haus in der Hohenschlitzgasse denkmalgeschützt ist.

Momentan sieht es im Haus aber eher nach einer großen Baustelle als nach einem Denkmal aus. Zehn Jahre hatte Veronika Vogt mit ihrem Sohn Lukas dort gelebt, bis sie vor zwei Jahren den Entschluss fasste, das Gebäude zu sanieren – und zwar grundlegend. Ein Jahr lang organisierte, telefonierte, koordinierte und recherchierte die Mindelheimerin täglich. In welch schlechtem Zustand sich das Haus befand, stellte sich aber erst bei den Bauarbeiten heraus. 'Die Balken und der Dachstuhl waren einsturzgefährdet', erklärt Veronika Vogt.

'Und die Stadtmauer war vollkommen nass.' Die ein oder andere Überraschung hielten auch die Fehlböden für sie bereit: Neben einem Kinderschuh fand sie dort eine Mausefalle, einen Krug und eine grün-weiße Blechfahne, auf der die Mindelheimer Glocke abgebildet war. Sie gehörte wohl einem Rottenführer – dem Leiter einer Art Bürgerwehr – der hier gewohnt haben muss.

Die 35-jährige Lehrerin ist froh, dass sie die Sanierung angepackt hat – und darüber, dass sie selbst die Bauleitung übernommen hat. 'Ich kenne jede Ecke, jede Schicht, habe überall selbst mitgearbeitet.

' Das alte, sehr lange und sehr schmale Gebäude an heutige Verhältnisse anzupassen, sei eine Herausforderung gewesen, meint Veronika Vogt. Das neue Wohnzimmer beispielsweise ist schmal und über zehn Meter lang – und wirkt dennoch nicht beengend.

'Ich möchte an keinem anderen Ort leben', sagt die 35-Jährige. Dass es 'ihr' Haus ist, wurde ihr während der Arbeiten immer klarer. Da war zum Beispiel die Sache mit dem Klavier. Sie wusste einfach nicht, wo sie das 1,50 Meter breite Musikinstrument unterbringen sollte. Bis auf einmal ein Handwerker sagte, ob es sie störe, wenn im Wohnzimmer eine Nische entstünde. Die Nische war genau 1,55 Meter breit. Und Veronika Vogt wusste: 'Das muss so sein.'

Auch das Dachfenster hat sie wieder verwendet, wenn auch nicht auf gewöhnliche Art und Weise. Eine halbe Ewigkeit dachte sie über den richtigen Platz nach, ging mit dem Rahmen im Haus umher – auf einmal passte es. Jetzt durchbricht das 200 Jahre alte Fenster die moderne Wand aus Holz und Gipsfaser, hinter der sich das Bad befindet.

All die Dinge, die noch ganz waren, hat Veronika Vogt aufgehoben, so viel wie möglich soll wieder in das Haus. 'Für mich ist das Leben, wenn ich die Türklinke anfasse, die bereits mein Urgroßvater in der Hand gehabt hat', sagt sie. Der Schreinermeister war der erste 'Vogt', der Ende des 19. Jahrhunderts in das Haus an der Stadtmauer einzog. Mit Vogts 14-jährigem Sohn Lukas wohnt nun die fünfte Generation dort.

Machbarkeitsstudie

Zu seinem 70. Geburtstag hat Veronikas Vater ihr das Haus überschrieben. Vor der Sanierung hat sie eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. 'Und wie der Name schon sagt, ist es machbar', erklärt sie heute fröhlich. Die Außenfassade sowie die Stadtmauer durften nicht verändert werden. Innen aber wurde mit Naturmaterialien so gut wie alles neu gemacht – bis auf das freigelegte Stück Stadtmauer, das sich vom Erdgeschoss bis in den ersten Stock zieht. In wenigen Wochen wollen Vogt und ihr 14-jähriger Sohn Lukas einziehen. Im nächsten Jahr ist dann der Garten dran. Alte Apfel- und Spalierbäume sollen dort wachsen, schwärmt Veronika Vogt. So, dass er eben auch zu Haus und Stadtmauer passt.