Manchmal ist es ein kleines Ereignis, ein Ort, eine Begegnung – und die Trauer ist da. Wie eine Welle kommt sie bei jenen, die einen Menschen verloren haben, der ihnen nahestand. Überspült den Alltag, die Arbeit mit Schmerz und Sehnsucht. Dann gehen Trauernde ihre ganz eigenen Wege, um mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen.
Dabei ist für viele eines hilfreich: Mit Verstorbenen zu reden, den Alltag zu schildern, Ereignisse zu erzählen. Die einen stehen dazu vor einem Foto, andere gehen dazu ans Grab. Gerade an Allerheiligen sind die Gräber der Verstorbenen ein Ort der Ruhe und Stille. Gerade in diesen Tagen werden sie gepflegt. Doch was bedeutet das Grab Hinterbliebenen? Warum ist es wichtig? Können sie darauf verzichten?
Die Grabstätte ihres Mannes war für Gabi Settele aus Kempten besonders in der ersten schweren Zeit des Alleinseins der Ort, an dem sie mit ihrem Mann reden konnte. Sie ging oft auf den Friedhof, kümmerte sich um das Grab, zündete eine Kerze an und betete für ihren Mann, den sie nach 33 Ehejahren vor sechs Jahren verloren hatte.
Nach dem Grabbesuch, so Gabi Settele, ging es ihr besser. Sie wusste: 'Ich habe etwas für ihn getan, das Einzige, was man für Verstorbene noch tun kann'. Deshalb ist ihr die Grabpflege nicht nur an Allerheiligen wichtig, sondern das ganze Jahr über. Ganz wichtig für die Kemptenerin war auch, dass für sie und ihren Mann nur eine Erdbestattung infrage kam. Nur so könne sie sich eine Verbindung vorstellen. Die Verbindung mit ihrem Mann, der 2009 mit einem Sportflugzeug verunglückte, ist auch für Barbara Dartmann am Grab im Friedhof gegeben. Natürlich sei ihr Mann Heinz immer bei ihr. Doch das Grab ist die Stätte, wo sie ihn jetzt besuchen kann. Die Pflege dieses Grabes bedeutet für Barbara Dartmann auch ein Zeichen der Liebe und Wertschätzung ihrem Mann gegenüber. Für sie persönlich sei es wichtig, dass sie ihn auf dem Friedhof besuchen und mit ihm dort reden kann.
'Mein Kind vermisse ich täglich'
Das Grab seiner Tochter besuchen kann Wolfgang Hützler nicht täglich. Jutta, die mit 27 Jahren im Jahr 2000 an Mukoviszidose starb, liegt nicht in seinem Wohnort begraben. Vermisst er das Grab? Nein, so der ehemaligen Oy-Mittelberger Bürgermeister nach längerem Überlegen: 'Nicht wenn ich weiß, wo es ist und das weiß ich.' Hützler: 'Mein Kind, unsere Jutta, vermisse ich jeden Tag. Ihr Lachen, ihren Humor und ihre Kraft, mit der sie ihr Schicksal ertrug.'
Ja, man verarbeite viel im Laufe eines Lebens, doch den Tod seiner Tochter, nein, den will Wolfgang Hützler gar nicht verarbeiten: Er sei Teil seines Daseins und erinnere ihn immer wieder an die Ohnmacht, ihn nicht besiegen zu können. Doch in aller Wut und Verzweiflung darüber, nichts mehr zu können, lehre das Sterben seines Kindes ihn auch, was Demut bedeute.
Ein Grab für sich, vor dem er stehe und an einen geliebten Menschen denke, wecke Erinnerungen: Wolfgang Hützler: 'Aber ich erinnere mich so und so jeden Tag – auch ohne Grab'.
Am Grab sprechen Angehörige mit ihren Verstorbenen. Am Grab halten sie in irgendeiner Form Verbindung zu ihnen. Und die Pflege des Grabes ist (wie für Barbara Dartmann auf unserem Foto) ein Zeichen der Liebe und Wertschätzung den Verstorbenen gegenüber. Das zeigt sich besonders an Allerheiligen. Foto: Martina Diemand