Interview: Der Leiter des Hutmuseums, Manfred Röhrl, über das heutige und das geplante Museum

18. Mai 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
Matthias Becker

Vor 30 Jahren ist das Lindenberger Hutmuseum eröffnet worden. Seitdem ist es in der früheren Hutfabrik Mercedes im Brennterwinkel beheimatet. Von der Gründung bis heute ist Manfred Röhrl dabei, seit 1984 als Leiter der bundesweit einmaligen Sammlung. Peter Mittermeier hat mit ihm im Vorfeld des Huttages über das jetzige und das geplante neue Museum gesprochen.

1979 hat der Stadtrat Hans Stiefenhofer beauftragt, ein Hutmuseum aufzubauen. Wie lief die Aufbauzeit?

Manfred Röhrl: Es war am Anfang ein mühsames Geschäft. Keiner wusste ja so genau, wie man ein Strohhutmuseum gestaltet. Ausgangspunkt war dann der Pferdehandel als Ursprung der Lindenberger Hutindustrie. Hans Stiefenhofer, Adolf Weinstock, Erhard Spieler, Aurel Wucher - wir waren die ersten, die in die Dachböden gekrabbelt sind und die kläglichen Reste der Hutvergangenheit zusammengeklaubt haben. Viel war von den einst 34 Hutfertigungsbetrieben nicht übrig geblieben. Georg Bentele (der letzte Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft) hat die Ausstellungsstücke dann von Hand beschriftet. Einer der ersten Mitarbeiter war auch Heimatpfleger Ludwig Scheller aus Weiler.

Gibt es denn im reichen Fundus des Museums ein Stück, das Sie ganz besonders schätzen?

Röhrl: Im Lauf der Zeit wachsen einem natürlich alle Stücke irgendwo ans Herz. Ein Hut gefällt mir aber besonders gut: der Matrosenhut der Kaiserlichen Yacht von Wilhelm II. Ein großer Strohhut für die jungen Männer. Jedes Jahr sind 300 Stück davon bei der Firma Reich gemacht worden.

Der Fundus des Museums wächst und wächst. Wo finden Sie denn die Stücke?

Röhrl: Alte Sachen liegen mir einfach am Herzen. Mit meiner Frau teile ich die Leidenschaft für Floh- und Antikmärkte. Die sind eine gute Quelle fürs Museum. Es kommt auch immer wieder vor, dass das Museum wertvolle Geschenke und Leihgaben von Bürgern bekommt. Das Geschichtsbewußtsein ist heute größer als vor 30 Jahren.

Da sind schöne Sachen oft noch als "Glump" entsorgt worden. Zu der Entwicklung hat sicher auch das Hutmuseum beigetragen.

Finden sie auf Flohmärkten denn überhaupt noch etwas fürs Museum?

Röhrl: Ja. Ich habe erst unlängst auf dem Altstadtflohmarkt in Wangen drei wunderbare Hüte ergattert, die um 1900 herum gemacht worden sind.

Wie sehen Sie denn die Diskussion um das Kulturzentrum Reich mit einem Hutmuseum als wesentlichen Teil?

Röhrl: Für mich ist es eine einmalige Chance. Wir wünschen uns ja schon seit vielen, vielen Jahren größere Räume fürs Museum. So nahe dran waren wir noch nie. Das Wissen um die Hutindustrie, um die Menschen, die Lindenberg groß gemacht haben, droht verloren zu gehen.

Hier könnten wir es auch für kommende Generationen bewahren. Wenn Lindenberg schon keine Hutfabrik mehr hat, sollte die Erinnerung an die Industrie hoch gehalten werden. Das geht nur in einem großen Museum, in dem auch das ganze Westallgäu berücksichtigt wird.

Es gibt in der Stadt kritische Stimmen zu dem Projekt. Verstehen Sie die?

Röhrl: Was ich verstehen kann ist die Diskussion um die Finanzierung. Es geht um eine große Summe, da muss der Stadtrat die Entscheidung gründlich überlegen. Ich höre aber manchmal den Satz, wofür braucht es so ein großes Museum, Lindenberg hat doch keine Geschichte. So etwas kann ich nicht nachvollziehen. Lindenberg hat mehr Geschichte als viele andere Orte. Sie ist anders als die alter Reichsstädte aber nicht weniger spannend.

Wer kommt denn heute vor allem alles ins Museum?

Röhrl: Die beste Kundschaft sind Senioren. Sie kommen gerne und sie geben vor Ort auch Geld aus. Die Besucher schätzen die sehr persönliche Form der Führung. Jetzt haben wir eine alte Form Museum, fast eine Art Poesiealbum. Im neuen Museum würde die Sammlung didaktisch anders aufbereitet, sicher auch für Kinder und Jugendliche spannend gestaltet werden.

Wie viele Mitstreiter haben Sie denn im Museum?

Röhrl: Es ist ein gutes Dutzend. Ohne den ehrenamtlichen Einsatz hätte das Museum in seiner jetzigen Form über all die Jahre nicht betrieben werden können. Viele die geholfen haben und helfen haben selber in der Hutindustrie gearbeitet.

Die Industrie verlagert heute Teile der Fertigung in Niedriglohnländer oder bezieht von dort Ware. Das war aber schon bei der Hutindustrie früher der Fall

Röhrl: Ja. Die Lindenberger Hutindustrie hat 1880 begonnen, Handel mit China zu treiben. Rohware kam von dort nach Lindenberg, wurde vor Ort modisch verarbeitet und verkauft. Das war also vor 130 Jahren schon eine Form der Globalisierung.