Am Anfang war Mozart. Das jedenfalls beteuert Deborah Sasson, wenn man von ihr wissen will, weshalb sie eine Karriere als Sängerin eingeschlagen hat. 'Vielleicht', sagt die gebürtige Kanadierin, die inzwischen im hessischen Bensheim lebt, 'hatte ich etwas von einem Wunderkind. Schon in jungen Jahren intonierte ich Mozarts Königin der Nacht aus der Zauberflöte.' Am Ende, erinnert sie sich, habe sie sogar noch über das hohe C ein weiteres C gesungen. Wenn das wirklich stimmt, konnte sie im Grunde genommen gar nicht anders, als das Singen zum Beruf zu machen.
Jedenfalls gönnten ihre Eltern der kleinen Deborah bereits privaten Gesangsunterricht, als sie erst zwölf war. Das Mädchen nahm dankend an und, drücken wir es vorsichtig aus, hatte fortan die Nase nicht unbedingt schüchtern zum Boden gerichtet. Deborah Sasson folgte gerne jenem Wegweiser zur glamourösen Bühnenwelt. Die ersten Stationen der schönen Kanadierin: Sie wurde zur Miss Massachusetts und zur Vize-Miss Amerika gewählt. Der Blick der Öffentlichkeit war zum ersten Mal auf sie gerichtet. Und sie genoss diesen Augenblick.
Für die heute 52-Jährige sollte es weiter wie geschmiert laufen. Dass sie nicht auf den Mund gefallen ist, bewies sie 1982, an einem Tag in New York. Sie war kurz zuvor mit dem Boston Symphonie Orchester auf einer Japantournee gewesen, als sie zu Hause in der US-Metropole davon erfuhr, dass Leonard Bernstein in der Stadt weilte und am Broadway ein Casting veranstaltet. Deborah Sasson beendete auf der Stelle das Kofferauspacken und machte sich auf den Weg Richtung Broadway, um ihre Chance zu suchen. Allerdings: Als sie ankam, wurde ihr mitgeteilt: Meister Bernstein habe das Casting für beendet erklärt. Der Laden sei geschlossen. Jede andere hätte wohl auf den Hacken kehrt gemacht und sich gedacht: 'Na ja, hat nicht sollen sein.'
Deborah Sasson hingegen scheint eine große Portion Durchsetzungsvermögen mit auf den Weg des Lebens bekommen zu haben. Jedenfalls flehte sie den Mitarbeiter an, der die Tür vor ihrer Nase zuschlagen wollte: 'Sagen Sie Herrn Bernstein, dass ich aus Massachusetts stamme. Er möge einem Mädchen aus der Stadt, in der er selbst wohnt, eine Chance geben.' Das Unmögliche passierte: Deborah Sasson stand zwei Minuten später vor dem Maestro, der Auszüge aus der West Side Story hören wollte. Wieder dauerte es nur ein paar Minuten, als Bernstein verkündete: 'Du hast die Rolle der Maria.' So klingen für gewöhnlich Märchen.
Bernstein gab ihr auch den Satz mit auf den Weg, dass es in seinen Augen keinen Sinn mache, zwischen U- und E-Musik zu entscheiden, sondern nur zwischen guter und schlechter Musik.
Deborah Sasson, lange verheiratet mit Peter Hofmann und Trägerin des Klassik-Echo-Awards, ist der Prototyp jener Sängerinnen, die problemlos zwischen Oper, Musical oder Pop wandeln. Die den Crossover lieben. In Füssen ist sie am Silvesterabend (18 Uhr) im 'Phantom der Oper' in der Rolle der Christine zu erleben – sowie am 12. Januar (20 Uhr) im Festspielhaus in Bregenz. Eine Liebesgeschichte, die zu ihr passt, wie das Tüpfelchen aufs I.
Die Liebe, sagt sie, spiele in ihrem Leben jedenfalls eine große Rolle. Zum Beispiel die Liebe und Leidenschaft zu ihrem Beruf. Nur so könne sie sich in einer Bühnenwelt behaupten, in der Durchsetzungsvermögen gefordert ist. 'Ein Erfolg', glaubt sie, 'kann sonst nicht dauerhaft sein.'
52 ist Deborah Sasson, und regelmäßig darf sie Komplimente entgegennehmen, wie jung und dynamisch sie auch heute noch wirke. Wie sie sich diese Frische bewahrt? Mit regelmäßigem Sporttreiben, verrät die Kanadierin, deren Mutter Irin und deren Vater Italiener war. Sie leistet sich sogar einen Trainer, der mal Judo-Weltmeister war.