Er ist Büchernarr. Trotzdem verbittet er sich Buchgeschenke, mit der ihm eigenen Begründung: "Ich habe noch zu viele, die ich nicht gelesen habe." Für Gerhard Fey ist "das Leben ein dauerndes Geschenk". Heute wird er 90. "Ich bin unendlich dankbar und komme aus dem Staunen über mich nicht heraus", sagt er. "Mir geht es gut, auch wenn es mir einmal nicht gut geht".
Der "Kölner Straßenjunge", der sich als junger Mann in Königsberg zum "Ostpreußen" wandelte, weil ihm das Wesen dieser Menschen zusagte, der es nur zum Feldwebel brachte, "weil ich nicht kommandieren kann", dem am Kriegsende gerade noch die Flucht über die Ostsee gelang, wollte als Kind Bauer, später Ingenieur werden; er lernte technischer Kaufmann und wurde nach dem Krieg Werbetexter, dann Erzieher von Fürsorgezöglingen.
1960 kam Gerhard Fey nach Lindenberg. Fast 28 Jahre war er "Zirkusdirektor am Nadenberg", wie er mit seinem unnachahmlich ironisch-spöttelnden Wortschatz seinen Beruf als Leiter des Berliner Feriendorfs am Nadenberg bezeichnet. Er teilt nicht umsonst mit Karl Valentin den Nachnahmen. Seine Frau Hanni, die er in Königsberg kennengelernt hatte, stand ihm zur Seite.
Lieblingsgedicht "Stufen"
Fey liebt Dostojewski und Hesse ("Stufen" ist sein Lieblingsgedicht), weil sie den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Romane stellen. Er stellt den Umgang mit Menschen an die erste Stelle. Deswegen liest er gerne Biografien. "Menschen kennenlernen ist mir das Wichtigste", betont er. "Man muss den Menschen ermutigen, nicht ändern wollen" lautet seine Devise.

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Was macht ein 90-Jähriger, der in seinem Leben viel auf Reisen war, an seinem Geburtstag? Fey feiert heute mit der Familie (Zwei Kinder, zwei Enkel und die dreijährige Urenkelin Emma) auf der Berghütte Schwändle bei Thalkirchdorf, besucht am Abend das Theater in Memmingen (Hauptmann von Köpenick) und möchte in der Nacht das Lichtermeer der Wasserwacht am Waldsee nicht verpassen ("eigens für mich").
Am morgigen Sonntag ist Tag der offenen Tür für die Freunde. Die Woche drauf ist "Mädchentreff", womit die jährliche Zusammenkunft mit den ehemaligen Mitarbeiterinnen des Feriendorfs bei alkoholfreier Bowle gemeint ist.
Am Donnerstag hatte er übrigens schon ein überraschendes Geschenk von engen Freunden erhalten - eine Autofahrt ins Tessin, zu Museum und Grab von Hermann Hesse in Montagnola, der ebenfalls an einem 2. Juli geboren ist.
Täglich auf dem Heimtrainer
Fey fährt täglich noch vor dem Frühstück eine Viertelstunde auf dem Heimtrainer, wobei er sich über das Weltgeschehen informiert, oder er geht Schwimmen im Waldsee, wenn es das Wetter erlaubt. Den Weg zum Grab seiner vor 15 Jahren verstorbenen Frau auf den Bergfriedhof erledigt er mit dem Elektrofahrrad.
Seitdem, sagt er, ist er nach 49 Jahre Ehe "alleinerziehend".
Fey war 24 Jahre im Kirchenvorstand der evangelischen Johanneskirche, "ohne den Glauben zu verlieren" - diesen Hinweis kann er sich nicht verkneifen -, war Lektor, kümmerte sich um Kranke und besucht weiterhin Hauskreis, Taizé-Kreis und den Fotoclub. "Ich habe mir noch eine Digitalkamera geleistet", verrät er. Die Korrespondenz erledigt er auf dem Laptop. Im August wird Fey die Familienfreizeit nach Bayreuth ("die brauchen noch nen Opa") begleiten.
Früher las der geborene Erzähler abends seiner Frau vor, heute ist er als Lesepate einmal die Woche an der Mittelschule, wo er den Fünftklässler Anil Alagöz zur Zeit mit dem Schriftsteller Erich Kästner bekannt macht.
Fey fördert als Mitglied den Geschichts- und Museumsverein. Er glaubt, dass die Lindenberger für ein neues Hutmuseum und ein Kulturforum zu begeistern sind, "so wie sie schon mal Begeisterung bewiesen haben mit dem Berliner Feriendorf, denn ohne die hätte es nicht klappen können." Da ist es wieder, das Mut machen.
Bei all den Dingen, die den Gert, wie ihn die Freunde nennen, umtreiben, hat er sich eine Spur sympathischer Naivität bewahrt: Sein Sohn Uli, plaudert er aus dem Nähkästchen, "schickt den Vater gern in den April - und der fällt auch meistens drauf rein."