Christian Schäfer fegt im Vorübergehen noch ein Handtuch von der Stuhllehne und kickt die Sporttasche hinter die Tür. Gestern ist es spät geworden. Dann sitzt der große schlanke junge Mann auf seinem Balkon und schaut in die Ferne Es ist ein Blick in eine ungewisse Zukunft. Obwohl er weiß, dass er gerade so etwas wie den Fünfer im Lotto in der Hand hält. Er ist an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg als Schauspielstudent angenommen worden. Als einer unter zehn, bei etwa 500 Bewerbern.
'Wenn ich das meinen Kumpels erzähle, glauben die mir das gar nicht', sagt er lachend, selbst noch etwas ungläubig. Sie halten ihn für völlig verrückt und ziehen ihn mit Hollywood auf. Da muss der 21-Jährige erst einmal klarstellen, dass sein neues Leben ein äußerst fragiles ist. 'Ich sage dann, hey Jungs, bleibt am Boden, die meisten Schauspieler sind arbeitslos.'
Zange gegen Stimme getauscht
Verrückt erscheint das neue Leben Schäfers deshalb, weil es kein vorgezeichnetes Leben, kein Leben nach Plan ist. 'Das Krasse ist: Ich bin gelernter Heizungsbauer', sagt Christian Schäfer ernst und eindringlich. Hämmer, Rohrzangen und Biegewerkzeuge wird der passionierte Sportler ab Herbst also gegen Stimme, Körper, Gestaltungswillen und Intuition eintauschen.
Gesang, Akrobatik, Fechten, Regie und auch viel Theorie stehen auf dem knallvollen Stundenplan.
Erst vor eineinhalb Jahren stand er das erste Mal in seinem Leben auf einer Bühne. In einer kleinen Rolle in dem Stück 'Funkensonntag' der Kemptener Heimatdichterin Else Eberhard-Schobacher, realisiert vom Theater-Projekt Kempten. 'Ich war total schüchtern und hab auch ständig meinen Text vergessen', erzählt er schmunzelnd. Danach hatte er im 'Lechner Edi', einer Produktion des Theaters in Kempten, eine kleine Rolle bekommen.
Regisseur Kiemle fördert ihn
Darauf stand sein Entschluss fest, sich auf einer staatlichen Schauspielschule zu bewerben. Rostock, Stuttgart, München, Salzburg, Ludwigsburg. Nach nur fünf Einladungen zum Vorsprechen ist er an der Ludwigsburger Schule, die eng mit der dortigen Filmakademie zusammenarbeitet, genommen worden.
Zwei Vorsprechmonologe hat er sich zusammen mit Kemptener Regisseur Thomas Kiemle ausgewählt. Den Wächter aus 'Antigone' und Harry aus William Saroyans 'Ein Leben lang'.
Kiemle erkannte Christian Schäfers Talent und Potenzial und besetzte ihn in seiner jüngsten Inszenierung für das Theater-Projekt Kempten als Leonce in Büchners Lustspiel 'Leonce und Lena'. 'Ich mag an Christian vor allem seine Neugier', sagt Kiemle. 'Christian will einfach alles wissen.'
Und dann erzählt Christian Schäfer, wie er sich auf das Vorsprechen vorbereitet hat. 'Es ist krass, wie wandlungsfähig man sein kann, wenn man sich keine Grenzen setzt.' Als Ausgleich habe er in dieser intensiven Zeit sehr viel meditiert.
Eine gesicherte Arbeitsstelle, eine Wohnung mit seinem Zwillingsbruder, eine Beziehung: Das alles lässt Christian Schäfer jetzt hinter sich. 'Man kommt irgendwann an den Punkt, da denkst du dir halt: Warum mach ich das alles, – aufstehen, arbeiten, weggehen?', sagt der angehende Schauspieler.
Nicht zuletzt ist es das Theater, das immer wieder diese drängenden Fragen nach dem Sinn des Lebens stellt.