Sehnig und kräftig sind sie. Seine Hände sprechen Bände. Herbert Vogler scheut die Arbeit nicht. Der drahtige Bolsterlanger mit den hageren Gesichtszügen hat sich als gelernter Raumausstatter in ein Traditionshandwerk eingearbeitet, das am Aussterben ist. Die Sattlerei ist seine Leidenschaft, sagt er. Obwohl durch seine Hände die meisten Kuhschellen für die Allgäuer Viehscheide gehen, kann er davon nicht leben. Vielmehr pflegt er einen alten Brauch mit altem Werkzeug und alter Technik, weil er sich verliebt hat in das Handwerk.
Arbeitsgerät aus Nachlässen
In Herbert Voglers Kellerwerkstatt ist es eng. Sie ist vollgestopft mit alten Lederriemen, Schellen und Glocken in allen Größen, altem Arbeitsgerät. An der Wand hängen drei stattliche Dachsfelle und Pferdegeschirre; in der Mitte des Raumes steht ein Arbeitsschemel. Den braucht der 43-Jährige für sein Handwerk. "Mein Vater war Schreiner", sagt er mit stolzem Ton. Mit den eigenen Händen etwas schaffen, das hat Vogler schon immer fasziniert. Als er selbst auf einer Alpe als Hirte mit angepackte, entwickelte er die Leidenschaft für die aufwendig gearbeiteten Schellenriemen, die das Vieh beim Scheid trägt. Nach und nach besorgte er sich das Arbeitsgerät aus Nachlässen, nahm Kontakt zu Schellenschmieden, Glockengießereien und Gerbern auf. Er schaute sich auch Tricks und Techniken von den Schweizern ab.
"Die Wollfransen und Dachshaare, mit denen man die Riemen verziert, sind eigentlich Schweizer Tradition", sagt Vogler. Heute schmücken die Fransen in allen Regenbogenfarben vor allem die großen Ehrengaben an die Meisterhirten.
Keller fast schon ein Museum
Edelweiß, Enzian, Zierlinien, filigrane Lochmuster. Mit bis zu 200 Jahre alten Ledermodeln und Stanzeisen arbeitet Herbert Vogler. Von vier oder fünf aufgegebenen Sattlereien im Oberallgäu habe er das Werkzeug bekommen. "Ab und zu besucht mich eine ältere Dame aus Oy-Mittelberg. Sie liebt es zu sehen, dass es weitergeht. Damit das Handwerk nicht verschwindet, jemand die Arbeitsgeräte benutzt." Immer wieder bekomme er Anrufe, ob er noch Werkzeug brauchen könne. So ist sein Kellerreich fast zum Museum geworden.
Weil für Herbert Vogler sein Hobby eine Berufung ist, öffnet er jeden Freitag Nachmittag die Werkstatt-Türen für Interessierte. Er erklärt geduldig, was er da macht, auch Japanern. Vogler: "Die sind ganz wild auf Kuhschellen. Als Geschenk für Hochzeiten oder Geburtstage." Sicher: Sich eine Kuhschelle mit Dachshaar in einer kleinen Wohnung im 20. Stock in Tokio vorzustellen, ist komisch. Stolz auf die eigene Tradition macht es allemal. "Amerikaner, Franzosen und Holländer kaufen ebenfalls ein wie verrückt", sagt jedenfalls Vogler. Einen Brief in Japanisch hat er auch bekommen. "Keine Ahnung, was da drin stand." Sechs Monate später wollten die Asiaten ihre "Bestellung" abholen. Vergebens. Vogler kann kein Japanisch.
Ob er auch schon nach China exportiert" Nein, die Chinesen wollten ihm billige gusseiserne Edelweiß verkaufen. Doch die will Vogler nicht: "Das bricht gleich ab. So arbeite ich nicht." Aus Blech fertigt er sorgsam kleine Kühe, alpenländische Blumen und Ornamente, die er auf die Riemen nietet. Seine Rohmaterialien kommen hauptsächlich aus der Region. "Früher gab es sogar eine Glockengießerei in Kempten", sagt Vogler. Mit kleineren Glocken versieht er die einfachen Riemen für das Vieh auf der Alp. "Glocken klingen lauter, als Schellen, da hört der Hirte besser, wo sein Vieh ist." Für die Viehscheide nimmt er große Schellen. "Glocken in dieser Größe - Viel zu schwer."
Da nicht immer Viehscheid-Geschäft Einnahmen beschert, hat sich der Bolsterlanger auf traditionelle Gürtel mit handgefertigten Schnallen und Beschlägen spezialisiert. Besonders Touristen würden diese wollen. Auch seine fünfjährige Tochter Isabell bastelt sich gerne Gürtel zusammen. Die Werkstatt ist ihr liebster Platz. Wenn sie nicht da ist, lässt sie ihre Puppe "Emil" zwischen Maschinen und Material sitzen, als Platzhalter. Ein Foto von Isabell in der Werkstatt hat Vogler immer auf seinem Arbeitstisch. Sie lacht darauf. Vielleicht wird sie das Handwerk weiterführen, irgendwann, hofft er.
Mit alten Stanzeisen hämmert Sattler Herbert Vogler die Verzierungen in die großen Lederriemen. Später sollen sie die Viehscheid-Schellen tragen.