Ein Interview zu führen, ist manchmal gar nicht so leicht. Noch während eines der Mädchen eine Antwort gibt, ertönt aus den großen Lautsprechern ein akustisches Signal. Die Turnerinnen in den schwarz-roten Anzügen springen auf, packen ihre Sachen und verabschieden sich mit den Worten 'Wir müssen ans nächste Gerät. Wir machen einfach später weiter' Und schon sind die Lindenberger Schülerinnen in der anderen Ecke der Halle verschwunden.
In der Dreifachturnhalle in Lindenberg findet das zweitägige Landesfinale der bayerischen Schulen im Gerätturnen statt. Der Wettbewerb, der vom Kultusministerium veranstaltet wird, geht erstmals seit 20 Jahren wieder in der Bergstadt über die Bühne. Rund um das Schulzentrum herrscht dementsprechend reges Treiben. 46 Mannschaften von Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien haben sich qualifiziert. Allein 230 Turnerinnen und Turner der Jahrgänge 1994 und jünger sind vor Ort, dazu über 50 Betreuer, etliche lizenzierte Wettkampfrichter des Bayerischen Turnverbandes und sonstige Funktionäre. 'So ein Landesfinale ist für viele der Höhepunkt der Schullaufbahn. Hier können sie mit Mitschülern zusammen turnen, die in anderen Vereinen sind.
Das ist gut für das soziale Netz an den Schulen', findet Bernd Schwarzwälder von der Bayerischen Landesstelle für den Schulsport, der die Gesamtleitung des Wettkampfes inne hat.Bereits beim Einturnen an den aufgebauten Geräten wie Balken, Stufenbarren oder Boden ist zu sehen: Das Niveau hier ist ganz schön hoch. Selbst schwierig anmutende Übungen gelingen scheinbar mühelos, die Teilnehmer zollen sich mit gegenseitigem Applaus Respekt und die Kampfrichter, die teilweise sogar international tätig sind, nicken anerkennend. Kein Wunder: Die Schulmannschaften sind fast ausschließlich mit Vereinsturnern besetzt, manche sind sogar bayerische Meister.
'Der Schulsport allein könnte das ab einem bestimmten Niveau gar nicht mehr leisten', sagt deshalb Wilfried Fuchs vom Arbeitskreis 'Sport in Schule und Verein' im Landkreis Lindau, der die örtliche Organisation übernommen hat. Der Lindauer Lehrer findet, dass von Wettbewerben wie dem Landesfinale beide Seiten profitieren: die Schulen, weil sie die Früchte des Vereinstrainings ernten dürfen, die Vereine, weil sie bei solchen Veranstaltungen immer mal wieder neue Talente entdecken. Im Landkreis Lindau gilt das nicht nur für Gerätturnen. Schulsportwettbewerbe gibt es beispielsweise auch im Fußball, Schwimmen oder Ski alpin.
Die teilnehmenden Schulen kommen aus allen Ecken Bayerns. Aus dem Allgäu hat sich nur das Hildegardis-Gymnasium Kempten qualifiziert, das in der Wettkampfklasse Mädchen III/1 den fünften Platz belegt. Es zählt die Mannschaftsleistung. An den vier Geräten werden jeweils die drei besten Ergebnisse der fünf Starter pro Team gewertet.
Sechs Stunden Anfahrt
Hoffnungen auf vordere Plätze machen sich zum Beispiel die beiden Gymnasien aus Hof, die mit rund sechs Stunden einen der längsten Anfahrtswege hinter sich gebracht haben. Gemeinsam mit 180 anderen Schülern sind die Oberfranken im Feriendorf Bayernpark untergebracht. 'Alles ist bestens organisiert. Es gibt keine Kritikpunkte', lobt deren Betreuer Günther Immann.
Dann endlich, kurze Wettkampfpause – und die Lindenberger Mädchen haben Zeit für ein kurzes Interview. Die 11- bis 14-Jährigen von Realschule und Gymnasium dürfen nur außer Konkurrenz mitmachen, weil Lindenberg Ausrichtungsort ist. Schade, denn 'heute haben wir einen guten Tag', sind sie sich einig. Ein Stockerlplatz wäre drin, schätzen sie. 'Die Übungen sind verhältnismäßig leicht', findet Selina Slapnig, die wie die meisten beim TV Lindenberg im Verein turnt, zumal die Mädchen auch bis zu acht Schulstunden Übungszeit in den Wettkampf gesteckt haben. Einig sind sie sich auch bei der Frage, ob Gerätturnen eigentlich nur was für Mädchen ist – schließlich sind die Buben heute hier in der Dreifachturnhalle in der Unterzahl. Alle schütteln den Kopf.
Und Franziska Baldauf sagt: 'Im Fernsehen zeigt man meist eh’ bloß die Männer.' Fabian Hambüchen zum Beispiel. Zustimmung von der ganzen Runde – und schon wechseln sie weiter ans nächste Gerät.
Wettkämpfe am heutigen Mittwoch von 10 bis 13 Uhr (Mädchen WK IV) und 13.45 bis 16.45 Uhr (Buben WK IV).