Sie schlendern durch die Stadt, steigen auf den Martinsturm und schauen sich das Rathaus an. Eine Gruppe von vielen, die Memmingen besucht, könnte man meinen. Doch die Mitglieder dieser Gruppe sind besonders, denn vieles von dem, was ihre Ohren hören und ihre Kameras fotografieren, kann bald für jeden abrufbar im Internet stehen.
Es sind 'Wikipedianer' Autoren des Online-Lexikons Wikipedia, die sich am Wochenende zu einem Süddeutschland-Treffen in Memmingen eingefunden haben. Bei Wikipedia kann jeder unentgeltlich einen Text verfassen und einstellen. Der Artikel wird gemeinschaftlich korrigiert, erweitert und aktualisiert. Wer aber sind die Autoren, die ihre Artikel ohne Namen in ein gemeinschaftliches Nachschlagewerk stellen? 'Mrilabs', 'Ireus' oder 'Zollernalb' nennen sie sich im Netz. Helge Rieder heißt einer von ihnen im echten Leben, 54 Jahre alt, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Trier. Robin Krahl ist 17 Jahre alt, Jurastudent aus Freiburg. Die 20-jährige 'Waithamai' ist Lehramtsstudentin aus Konstanz und eine von zwei Frauen.
Texte löschen und Autoren sperren
Zwei Stunden am Tag sind sie mit Wikipedia beschäftigt. 'Mindestens', schätzt Florian Straub aus Freiburg. 'Aber die zwei Stunden müssen nicht hinter dem PC sein.' Die Themen wollen recherchiert werden. Der 29-Jährige gehört zur Benutzergruppe der Administratoren. 'Das heißt, ich kann Texte löschen und Autoren sperren.' Einmal, erzählt er, sollte er einen Artikel über Salzstreuer löschen, weil das Thema zu trivial sei. Doch anstatt zu löschen, hat er selbst Interesse an Salzstreuern gefunden. Er fand heraus, dass sie erst seit dem 20. Jahrhundert existieren, hat mit dem Patentamt telefoniert und mit einem Salzmuseum. Der Artikel wurde erweitert.
Seit zehn Jahren gibt es Wikipedia, seit drei Jahren treffen sich die Autoren der Region regelmäßig. Zum 'Portal Memmingen' gehören mit Johannes Böckh und Thomas Mirtsch zwei Autoren aus der Stadt. Sechs weitere 'Wikipedianer' kommen aus der Umgebung. 'In erster Linie geht es um die Sache', betont Böckh. Das Treffen der 'Community' – also der Gemeinschaft – mache viel Spaß. Aber eigentlich wolle man Wissen zusammentragen. 'Früher gab es den Hobbyhistoriker, der ein Buch geschrieben hat', sagt der 24-jährige Informatikstudent. 'Uns geht es darum, Heimatgeschichte festzuhalten und sie für jeden frei und kostenlos weltweit zugänglich zu machen.'
Thomas Mirtsch stimmt ihm zu. 'Und wichtig ist, dass die Region artikelmäßig gut ausgebaut ist.' Der 30-jährige Betriebsprüfer hat über 200 Texte für Wikipedia geschrieben. Er arbeitet alles in Artikel ein, was ihm begegnet. 'Wenn irgendwo aktuelle Zahlen ausliegen, dann nehme ich sie mit.' Mirtsch und Böckh haben gemeinsam am Artikel über Memmingen gearbeitet. Er werde am Tag rund 700 Mal angeklickt, erzählen sie.