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Andreas Külzer trägt Kleists Marquise von O. vor

Kulturwerkstatt

Andreas Külzer trägt Kleists Marquise von O. vor

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    Andreas Külzer trägt Kleists Marquise von O. vor
    Andreas Külzer trägt Kleists Marquise von O. vor Foto: Antje Sonnleitner

    Ein Genuss war die mitreißende Lesung der Novelle 'Die Marquise von O.' des in Düsseldorf beheimateten Schauspielers Andreas Külzer vor leider nur 15 Zuhörern in der Kulturwerkstatt am Schweizerberg.

    Autor der unterhaltsamen Novelle ist der geniale Dramatiker Heinrich von Kleist (1777 bis 1811), dessen 200. Todestag sich heuer jährte.

    Kleist, der in der Epoche der Weimarer Klassik und der Romantik ein literarisches Außenseiterdasein führte, konnte mit seiner prickelnd-ironischen Darstellung des gesellschaftlichen Skandals um eine mysteriöse Schwangerschaft bei seinen Zeitgenossen nicht punkten. Umso mehr vermochte dies Andreas Külzer bei seinen Zuhörern.

    Talentierter Sprecher kann es schaffen

    Er bewies, dass ein talentierter Sprecher es durchaus schaffen kann, in dieser mit medialen Bildern und multiplen Sinneseindrücken verwöhnten Zeit sein Publikum 90 Minuten lang zu fesseln.

    Andreas Külzer, neben Bühne und TV auch als Hörfunksprecher tätig, sprach die Phantasie der Zuhörer durch die Ausdruckskraft seiner Stimme an. Ohne weitere Vorreden und noch bevor er die Bühne betrat, stieg er in die Novelle ein. Diese beginnt mit einer skandalösen Zeitungsannonce der verwitweten und bis dato ehrenhaften Marquise von O., die unwissentlich in andere Umstände geraten ist und nun den Vater ihres Kindes sucht.

    Külzer riss die Zuhörer in den Strudel dieser farbenfrohen Erzählung, in welcher Kleist die Brutalität der bürgerlichen Gesellschaftsordnung und deren Versagen parodiert. Der Schauspieler vermochte es, die leise Ironie des Autors so treffend in Mimik und Gestik zu übersetzen, dass die Zuhörer gebannt an seinen Lippen hingen.

    Sehr schnell schaffte es Külzer, der komplexen Sprache des Autors einen natürlichen Klang zu verleihen, sodass die Raffinesse der Kleist’schen Worte sich dem heutigen Zuhörer mühelos und genussvoll vermittelte.

    Angesichts der in der Novelle beschriebenen Bedrohung der bürgerlichen Weltordnung deckte das zwischen Ohnmacht und Gewalt, Demut und Tyrannei, Scham und Schrecken, Furcht und Ehrfurcht, Stolz und Schande schwankende Personal Kleists alle Register menschlicher Gefühle und Verhaltensweisen ab.

    Ebenso wie der Autor verstand es der Vorleser vortrefflich, die Figuren vorzuführen und am Schluss augenzwinkernd die Welt zu retten. Andreas Külzer durfte sich über riesigen Applaus freuen, der eher nach 50 als nach 15 Zuhörern klang.

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