Ältere Menschen sind laut verschiedener Prognosen zunehmend von Armut bedroht. Auch im Ostallgäu. Hier lag sie laut Bertelsmann-Stiftung im Jahr 2009 bei 1,9 Prozent. Gründe gibt es viele.
Niedrigeinkommen in der Vergangenheit sorgen für schlechte Alterseinkünfte heute und morgen. Die Ortsvorsitzende des VdK Marktoberdorf (600 Mitglieder), Monika Kunz, beobachtet, dass etliche Senioren schon jetzt am Existenzminimum leben. Frauen seien davon mehr betroffen als Männer. "Aber viele scheuen sich, Anträge auf Zuschüsse zu stellen", meint sie. Selbst, wenn sie sie darauf anspreche. Viele verzichteten auf Hilfe, weil sie ihre finanzielle Situation nicht offenlegen oder, wie sie sagen, "nicht betteln gehen wollen". Diese Erfahrung macht auch Ehrentraud Hölzle, die in Marktoberdorf in der ambulanten Pflege und für die Arbeiterwohlfahrt tätig ist. Gleichzeitig zahlten Krankenkassen bei bestimmten Bedürfnissen – wie Badelifte oder Medikamente – immer weniger zu, weiß sie. So mancher könne sich nicht einmal 'Essen auf Rädern' leisten. Und Monika Kunz hat schon erlebt, dass so manche ältere Frau dem Kaffeekränzchen nur deswegen fernbleibt, 'weil sie sich dafür nicht schick genug angezogen fühlt und sich auch nichts Schickes leisten kann.' Eine neue Statistik des VdK für ganz Bayern belegt tatsächlich, dass schon jetzt fast jeder Fünfte (19 Prozent) über 65 von Altersarmut betroffen ist.
Keine seltene Ausnahme
Damit dürfte eine Ostallgäuer Rentnerin, deren Namen und Wohnort Kunz nicht nannte, keine allzu seltene Ausnahme sein: Sie hat 745 Euro Rente und muss davon allein für die Miete 345 Euro bezahlen. 'Da kann man sich vorstellen, dass zum Leben nicht mehr viel bleibt.' Die Rentnerin bekommt vom VdK natürlich einen Zuschuss für Heizung und Winterkleidung. 'Aber das war beim Ortsverband jetzt vor Weihnachten auch der einzige Antrag', wundert sich Kunz.
Nach Angaben des bayerischen Sozialberichtes gilt als armutsgefährdet, wer von weniger als 859 Euro im Monat lebt. In Bayern sind das 435 000 Männer und Frauen schon im Jahr 2010 gewesen. Eine besorgniserregende Tendenz, die auch am Ostallgäu nicht vorbeigeht.
Der Regionalvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Werner Gloning, meinte kürzlich bei einer DGB-Versammlung in Marktoberdorf gar, dass sich Altersarmut immer mehr zu einer Zeitbombe entwickele. Im Ostallgäu sei dies ein 'Megathema', weil hier das Rentenniveau ein ganzes Stück niedriger liege als im Bundesdurchschnitt. Aus einem Vortrag von Wilfried Mück, Verwaltungsdirektor des Caritasverbands Bayern, geht hervor, dass der Ostallgäuer Rentenzahlbetrag bei Männern und Frauen unter dem Bayernschnitt liegt, bei Frauen mit 435, 81 Euro sogar weit unter dem bayerischen Schnitt von 494,40 Euro (Zahlen von 2008).
'Erhöhtes' Risiko
Auch das hannoveranische Prestel-Institut zum Beispiel schätzt die zu erwartende Altersarmut im Landkreis Ostallgäu im Jahr 2020 als 'erhöht' ein. 'Das soziale Netz wird die meisten 55- bis 65-Jährigen, die heute von Hartz IV leben, im Rentenalter auffangen müssen.' Das Institut sieht Handlungsbedarf. Ebenso wie der VdK. Dessen Landesvorsitzende Ulrike Mascher forderte vor einigen Tagen bei der Landespressekonferenz unter anderem die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, der derzeit rund 10 Euro betragen müsse, um eine Rente oberhalb der Grundsicherungsgrenze zu gewährleisten.
Niedrige Löhne, große Wirkung
Schon heute, so Mascher, arbeiteten 17,7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Bayern im Niedriglohnbereich. 30,7 Prozent aller vollzeitbeschäftigen Frauen erhielten nur einen Niedriglohn. Und die weitverbreiteten Niedrigeinkommen sorgten künftig für schlechte Alterseinkünfte: 'Aus Niedriglöhnen werden Mini-Renten'.
Der Landkreis Ostallgäu rechnet für 2012 mit 1,364 Mio. Euro, die er für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit den Betroffenen zuschießen muss. Das sind 151 000 Euro mehr als 2010.