Vor Jürgen Leibbrand verbeugen sich die Leute. Nicht seinetwegen freilich, vielmehr wegen der unzähligen, bis zum Rand gefüllten Stoffbeutel an seinem Stand auf dem Christkindlesmarkt. Kleine Weihrauch-Körnchen in allen Farben locken, sich tief hinunterzubeugen und mit der Nase ganz nah heranzugehen. Ein Dufterlebnis, zart und intensiv und weihnachtlich. Aber halt, es ist noch lange nicht Weihnachten. Und spätestens, wenn man sich aufrichtet und den Blick vom Weihrauch trennt, ist man wieder zurück auf dem Marktplatz, Anfang Dezember, bei angenehmen fünf Grad plus.
Seit 29 Jahren kommt Jürgen Leibbrand aus Steinhausen mit Weihrauch, Bienenwachskerzen und Duftlampen auf den Memminger Christkindlesmarkt. 'Ich habe meine Stammkundschaft', erzählt er und rückt goldglänzende Weihrauchfässer in seiner Auslage zurecht. 'Viele kommen gezielt und kaufen sich ihren Jahresvorrat.' Langsam schlendern Besucher vorbei, lassen ihre Blicke über die Bienenwachs-Schneemänner wandern und biegen ums Eck, wo die Menschen dicht gedrängt vor der Bühne stehen.
Mit klarer, kraftvoller Stimme singt dort die 14-jährige Jana-Sophie. So mancher im Publikum stimmt mit ein beim Musicallied 'Memory'. Die Gesangsschule 'Joy of Voice' aus Aitrach gestaltet das Programm. Jana-Sophies Familie aus Hauerz nutzt den Auftritt der Tochter für einen Bummel über den Markt.
Die kleine Schwester freut sich über Schokofrüchte, der siebenjährige Bruder kauft sich Brausestäble. 'Es ist schön hier', sagt Mutter Annette Vöhringer, eine dampfende Tasse in der Hand.
'Trockene Kälte und fünf Grad minus wären optimal'

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Punsch, Bratwurstsemmel oder Bauerntoast, die kulinarischen Stände sind gut besucht. Auch wenn sich Schneeflocken bisher nur in der Dekoration mancher Buden einzeln zählen lassen. 'Trockener Schnee, trockene Kälte und fünf Grad minus wären optimal', sagt Mario Buschetto aus München, der Südtiroler Spezialitäten anbietet. Aber er sei zufrieden, ergänzt er und reicht zwei jungen Frauen dampfende Tassen mit Apfelglühwein über seine Theke.
Hinter seinem Stand kauen die Schafe in ihrem kleinen Gehege gemächlich auf Karotten herum. Großeltern und Enkel stehen und schauen ihnen zu. Sie haben Zeit. Die Geschäftigkeit der Passanten in der Stadt haben die Besucher des Christkindlesmarktes abgelegt. Hier wird nur noch geschlendert, betrachtet, verweilt.
Lange schon steht des Ehepaar Wegerer aus München über die große Weihrauchauswahl von Jürgen Leibbrand gebeugt. Die Auswahl der Düfte macht ihnen die Entscheidung schwer. In Memmingen gefällt ihnen das Ambiente des Markts in der Altstadt. 'Und vorher der Chor der Gesangsschule, das war richtig schön. Das macht den Unterschied aus.' Königsweihrauch nehmen sie schließlich mit nach Hause, den Duft des Orients, wo Weihnachten herkommt.