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32 Menschen aus Lebenshilfe und Wahlfamilie ziehen in ein SWW-Haus am Alten Bahnhof in Sonthofen

Wohngemeinschaft

32 Menschen aus Lebenshilfe und Wahlfamilie ziehen in ein SWW-Haus am Alten Bahnhof in Sonthofen

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    32 Menschen aus Lebenshilfe und Wahlfamilie ziehen in ein SWW-Haus am Alten Bahnhof in Sonthofen
    32 Menschen aus Lebenshilfe und Wahlfamilie ziehen in ein SWW-Haus am Alten Bahnhof in Sonthofen Foto: charly hã¶pfl

    Wenn Marlies Gschwendtner die Farbe grün betrachtet, spürt sie Herzenswärme, sieht Weite. Nicht nur der Blick von ihrem Balkon im vierten Stock fällt auf grüne Berghänge hinter Sonthofen, auch den Blick an der Fassade hinunter leitet ein grüner Anstrich. Es ist ihr neues Zuhause. Am Alten Bahnhof. Mit grünem Garten und doch mitten in der Stadt. "Hier in diesem schönen neuen Haus wollen wir leben", sagt die 70-jährige Wahlsonthoferin bei der Eröffnung eines ganz besonderen Wohnprojekts. Gemeinsam wohnen unter dem Dach des Sozial-Wirtschafts-Werks Oberallgäu (SWW) bald 32 Menschen, betreut von den Vereinen "Lebenshilfe" und "Wahlfamilie".

    Endlich ist es so weit. Christian Lingenhöl steht in seinem neuen Bad. Alles ist barrierefrei und großzügig gebaut. Es riecht neu - nach Farbe, Kleber und Holz. Nur Kleinigkeiten fehlen noch. Der 37-Jährige prüft die Duschstange: "Nächste Woche ist Umzug", sagt er. Seine Stimme wirkt zittrig und doch bestimmt. Er ist aufgeregt. Wie wird es sein im neuen Zuhause? "Ich hab mir das gestern Abend schon überlegt." Der ruhige Mann zeigt auf die Rückwand in seinem Zimmer: "Das Bett kommt dort hinten hin."

    Für den Thalhofer ist die neue Unterkunft ein Segen, denn die alten Räume der Lebenshilfe werden samt Haus abgerissen, für einen Parkplatz. Er spricht von einem neuen Gefühl, so zu wohnen. In einer Gemeinschaft. Denn in dem neuen Haus werden geistig behinderte und ältere, rüstige Menschen gemeinsam leben, sich unterstützen, gemeinsam alt werden.

    Das Konzept dazu hat der Kemptener Hochschulprofessor Markus Jüster entwickelt. Nach dem Motto "Nutzen stiften und Nutzen nehmen" kann etwa ein Mensch mit geistigen Defiziten Schwachen unter die Arme greifen oder ein rüstiger älterer Mensch Orientierung bieten. Eben diese verschiedenen Stärken und Schwächen sollen sich in einem offenen Haus ergänzen, zeigen, dass Vielfalt normal ist.

    Im "Inklusionsraum" beißt Marlies Gschwendtner im grün-blauen Dirndl beherzt in ein Käsebrot. Mitten im Gewusel. Sie strahlt, weil sich wieder etwas tut in ihrem Leben. Die Walserin war Grundschullehrerin und liebt es, mit Menschen etwas zu bewirken. Offen seien sie, mit denen sie jetzt in einer Familie lebt. "Man ist schnell auf Du und Du, das mag ich." Das Wort "behindert" mag sie dagegen nicht. "Es stellt sich die Frage, wer in dieser Gesellschaft behindert ist."

    Die Begegnung im Gemeinschaftsraum gefüllt mit Bewohnern und Besuchern ist für Bürgermeister Hubert Buhl Ausdruck des Gedankens, "Mitten im Leben" zu sein. Darum hofft er, dass sich die Stadt Sonthofen - wie es der Landkreis schon vorgemacht hat - an den Kosten des sozialen Angebots beteiligt. Für Landrat Gebhard Kaiser ist die Wohnform eine echte Alternative und erinnert ihn an alte Strukturen, wie das Mehr-Generationen-Haus, nur in die heutige Zeit übersetzt.

    Marlies Gschwendtner erinnert ihre neue WG eher an ihre neun Jahre im Internat: "Wir haben alles gemeinsam gemeistert." - "Gemeinsam statt einsam" will SWW-Geschäftsführer Martin Kaiser weiterhin für solche Projekte offenbleiben. "Vielleicht müssen wir bald anbauen", sinniert Christa Bock, die den Verein Wahlfamilie gegründet und das Ganze erst losgetreten hat.

    Interessenten? Ja, da hat sie noch einige auf ihrer Liste, muss aber schauen, dass die Bewohner auch zusammenpassen. "Das ist wie in einer Studenten-WG. Da müssen sich auch alle grün sein."

    Wie Senioren in Zukunft wohnen:

    www.wahlfamilie-sonthofen.de

    "Gemeinsam kommen wir weiter" - Diesen Schriftzug setzten die neuen Bewohner des Wohnprojekts am Alten Bahnhof symbolisch zusammen. Foto: Höpfl

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