Verabschiedung: 20 Abiturienten mit Eins vor dem Komma - 75 Schüler haben in Lindenberg bestanden

2. Juli 2011 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
Benjamin Schwärzler

Vereint in der Kritik am G8

Am Ende waren sie harmonisch vereint in der gemeinsamen Kritik am G8-Abitur: Der erste Jahrgang, der nach nur acht Jahren am Lindenberger Gymnasium die Hochschulreife erlangt hat, wurde gestern feierlich verabschiedet. Und obgleich alle Redner die Reform kritisierten, können sich die Ergebnisse sehen lassen: 20 der 75 Abiturienten haben einen Notenschnitt erreicht, bei dem eine Eins vor dem Komma steht.

Gegenseitige Kritik von Schülern und Lehrerschaft, die im Vorjahr die Abschlussfeier mitgeprägt hatte, gab es diesmal nicht. Alle Beteiligten hatten dafür einen gemeinsamen Kritikpunkt: Jene Bildungsreform, die 2004 zur Einführung des achtklassigen Gymnasiums, kurz G8 genannt, führte. Da waren die jetzigen Abiturienten schon Schüler des Gymnasiums und gingen davon aus, eine reformierte neunklassige Bildungseinrichtung zu besuchen, wie Landtagsabgeordneter Eberhard Rotter in seinem Grußwort erinnerte. Trotz der "widrigen Umstände" haben sich die Absolventen aus seiner Sicht als "flexibel und stressresistent" erwiesen, was ihnen beim Studium und im Beruf helfen werde.

Er zollte dem ersten G8-Jahrgang ebenso Respekt wie Elternbeirat Wolfgang Herrgott, der besonders launig auf die "Mogelpackung" G8 einging, die von der Politik "wohl zwischen dem zweiten und dritten Leberkäs-Semmel beschlossen" worden sei. Er erinnerte daran, dass es zwar einen erfolgreichen Abschluss gegeben habe - aber laut Studien auch vermehrt psychosomatische Störungen und gestiegene Aggressivität bei G8-Schülern. Nicht zuletzt seien Kopfschmerzen und Müdigkeit Begleiter in den vergangenen acht Jahren gewesen. Für Schüler, Eltern und Lehrer sei die G8-Einführung nicht nur ein "Sprung ins kalte Wasser" gewesen - "das Wasser war auch noch trübe" (Herrgott). Dass es dennoch zum Abitur gereicht habe, sei in besonderer Weise dem Engagement der Lehrer zu verdanken.

Die Abiturienten müssten nun nicht nur ihren Platz in der Gesellschaft, einen Beruf und ihr Lebensglück finden - sondern "auch noch die Welt retten", so der Elternbeirat. Denn zuvor hatte Lindenbergs Bürgermeister Johann Zeh die Absolventen an die Bedrohung durch den Terrorismus, die Folgen der Globalisierung, die anstehende Energiewende und die Problematik zwischen Arm und Reich erinnert: "Die Gesellschaft braucht Menschen, die sich an schwierige Aufgaben wagen" (Zeh).

Wer Fachkräfte und Entscheider wolle, dürfe Studiengebühren nicht zementieren und müsse mehr für Bildung ausgeben, mahnte Schulleiter Hermann Endres. Die Schule habe versucht, die Folgen des G8 zu mildern. Allein 1000 Überstunden seien durch die Korrekturen von gleich zwei Abitur-Jahrgängen innerhalb weniger Wochen angefallen, so Endres.

Als "Versuchskaninchen" sahen sich die Schüler selbst. Deren Sprecher, Tammy Jajes und Daniel Piorunski, erinnerten daran, dass Besinnungstage ebenso gestrichen worden seien wie das "Hitzefrei" und stellten anschließend den Dank an Direktorat und Lehrer in den Mittelpunkt.