Stille Zeit? Besinnlichkeit? Nein, Linda Ponradl ist nicht in Weihnachtsstimmung. Heute, an Heiligabend, wird es warm, womöglich sogar brütend heiß. Statt einer saftgrünen Tanne stehen eine Palme und zwei kitschige kleine Weihnachtsbäume aus Plastik im Zimmer. Schnee ist weit und breit nicht in Sicht. 'Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich an Weihnachten nie wieder von daheim weg sein möchte.' Die 18-Jährige aus Rückholz befindet sich zurzeit im Kongo und verbringt dort die Festtage. Anfang August ist die Abiturientin in ihr 'Abenteuer' aufgebrochen. Als Missionarin auf Zeit weilt sie ein Jahr in Afrika. Ihr Einsatzgebiet ist die Stadt Kolwezi im Süden des Kongos. Dort haben die Salvatorianer eine Schule aufgebaut. Schwestern des Ordens leiten dort außerdem ein Gesundheitszentrum. Mit Anna-Lea Kronpaß, einer anderen Missionarin, kümmert sie sich abwechselnd um unterernährte Kinder und unterrichtet Französisch.
Die Adventszeit war für die 18-Jährige kaum besinnlich: Neben der Arbeit und der fremden Umgebung kam es wegen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu Unruhen, teilweise zu Schießereien. 'In unserer Nachbarstadt gab es fünf Tote. Bei uns in Kolwezi war aber alles ruhig.' Auch kurz vor Heiligabend war Ponradl nicht in festlicher Stimmung: 'Weihnachten ist für die Kongolesen ganz anders als für uns Deutsche.'
Die ganze Familie versammelt? Das funktioniert im Kongo nicht: 'Die Familie ist viel zu groß, als dass man sie alle einladen könnte', erzählt Ponradl. Den Gottesdienst besuchen? 'Viele gehen nicht in die Kirche, sondern gehören diversen Sekten an. Ich weiß nicht, wie die es mit Weihnachten halten.
' Tannenbäume? 'Die gibt es hier ursprünglich nicht. Die Kongolesen können damit wenig anfangen.' Die Salvatorianer Schwestern besäßen einen Vorrat an Dekoration: 'Einige Dinge sind sehr kitschig – zum Beispiel ’Merry Christimas’-Schriftzüge aus Plastik.'
Trotzdem muss Ponradl nicht auf alle Traditionen aus Deutschland verzichten: 'Ich und Lea gehen mit den Schwestern an Heiligabend in die Mitternachtsmesse unserer Pfarrei.' Danach versammeln sie sich in einem Salon und tanzen und singen. 'Traditionell feiern sie in Weihnachten rein und gehen erst gegen fünf Uhr ins Bett.
' Am nächsten Tag stehen sie wieder früh auf – 'und in der Zwischenzeit war der Weihnachtsmann da'. Das eigentliche Fest begehen die Kongolesen erst am 25. Dezember. 'Am 26. ist alles vorbei.'
Danach packen Ponradl und Kronpaß ihre Koffer und brechen zu einem Zwischenseminar nach Tansania auf. 'Dort tauschen wir uns mit anderen Freiwilligen aus.' In dem Nachbarstaat will sie auch ihre Eltern treffen, die sich dort zeitgleich aufhalten. 'Wir wollen gemeinsam Silvester feiern. Darauf freue ich mich sehr.'