Seit fast vier Wochen steht Stefan Schwarz jeden Tag im Rampenlicht. Morgens zwischen vier und fünf Uhr das erste Mal: 'Über einen kleinen Sender am Handgelenk schalte ich bei mir in der Küche die Video-Kamera und den Scheinwerfer ein', berichtet der 44-jährige aus Kempten.
Aus einem Lautsprecher an der Kamera tönt die Stimme seines behandelnden Arztes Dr. Johannes Neuhauser: "Setzen Sie sich bitte vor der Kamera auf einen Stuhl und drehen Sie Ihre Hand, als ob Sie eine Glühbirne einschrauben würden." Diese Aufforderung ist der erste Baustein eines rund zweiminütigen Bewegungs-Checks. Stefan Schwarz leidet seit rund zehn Jahren an Parkinson. Anfangs ließen sich die Symptome noch gut mit wenigen Medikamenten lindern. "Doch bei der Parkinson-Krankheit wird die Behandlung im Verlauf schwieriger", erklärt Neuhauser, einer von vier Kemptener Neurologen, die diese neue Methode anbieten. Durch den Einsatz einer großen Bandbreite an Arzneimitteln und einer feinen Dosierung können Ärzte helfen. Patienten wie Schwarz nehmen täglich bis zu acht verschiedene Präparate ein. Die Feinabstimmung der diversen Wirkstoffe ist aber so schwierig, dass sie bislang fast über Wochen im Krankenhaus erfolgt. ' Aus unserer Sicht ist aber entscheidend, wie der Kranke im Alltag zurechtkommt. Deshalb wollen wir ihn auch dort beobachten', argumentiert der Koblenzer Arzt Alexander Rzesnitzek, der die Video-Begleitung entwickelt hat. Laut Rzesnitzek kommt ein weiterer Punkt hinzu: Die Patienten sollen aktiv demonstrieren, wo sie Probleme haben. 'Eine Patientin zeigte uns beispielsweise , dass ihr Salatschneiden schwerfällt.'
Solche Sonder-Aufnahmen sind problemlos möglich, denn die Technik wurde bewusst einfach gehalten. Der Benutzer kann die Kamera auch jederzeit anschalten, wenn er gerade auffällige Symptome erlebt. Während des Filmens beurteilt der Patient seinen Zustand über ein Notensystem.
Nach der Aufnahme werden die Bilddaten über eine spezielle Netzverbindung an den behandelnden Arzt geschickt. Zeitgleich können Parkinson-Experten am Neurologischen Krankenhaus in München die Bilder einsehen und im Bedarfsfall zu Rate gezogen werden. Anhand der Filmmitschnitte wird die Wirkung der Medikamente beurteilt und gegebenenfalls Dosis oder Wirkstoff verändert.
Vermissen die Patienten den persönlichen Kontakt zum Arzt? 'Überhaupt nicht', sagt Stefan Schwarz. Er fühlt sich bei Dr. Neuhauser gut aufgehoben: 'Während der Videobeobachtung habe ich mehrfach pro Woche telefonischen Kontakt, bei dem über die Aufnahmen gesprochen wird. Das ist gegenüber der normalen Sprechstunde erheblich intensiviert.'
Die Behandlung wird in Kempten außer von Dr. Johannes Neuhauser, von Dr. Hans-Jörg Schmidt, Dr. Karlheinz Peters und Dr. Bettina Wolnik-Hartung angeboten. (li)