'Diese Kälte ist einfach ekelhaft.' Gisela Schnöller merkt man die Abneigung gegenüber dem derzeitigen Wetter deutlich an. Seit 2005 trägt die 71-jährige Füssenerin Briefe für Allgäu Mail aus. Sie mache ihren Job wirklich gerne, erzählt sie. 'Aber dieses Wetter zehrt an den Kräften.' Im selben Atemzug fügt sie an: 'So eine Kälte wie jetzt habe ich noch nicht erlebt.' Schnöller startet von Dienstag bis Samstag zwischen acht und neun Uhr immer ihre Runde. Auf ihrer Route passiert sie aus Richtung Füssener Innenstadt auch die Theresienbrücke: 'Wenn ich auf der anderen Seite ankomme, habe ich das Gefühl, ich bin in Sibirien.' Mit Fettcreme im Gesicht und dicker Kleidung versucht sie, sich gegen die beißende Kälte zu schützen. Unterwegs wärme sie sich manchmal in Geschäften auf – und ist dankbar für die Hilfsbereitschaft: 'Oft bekomme ich heißen Kaffee oder Tee angeboten.'
Im Bundesleistungszentrum freut man sich dagegen über die Temperaturen: 'Bei der Kälte sparen wir Energiekosten, weil wir nicht so viel kühlen müssen', so Leiter Helmar Erlewein. Wer zudem die Pausen bei Eishockeyspielen im Freien verbringt, kann sich danach in der Halle wieder aufwärmen, erzählt er.
60 Autopannen pro Tag
Die Minusgrade, die im Moment im Füssener Land herrschen, machen vielen Menschen zu schaffen. Das bekamen gestern auch die Fahrer des Unternehmens Schlichtling zu spüren: Rund 60 Mal rückten sie zu Autopannen aus – normalerweise haben sie fünf bis zehn Fälle pro Tag. 'Uns wird eine Panne nach der anderen gemeldet. Batterien versagen reihenweise den Dienst', so Betriebsleiter Pavel Verner. Auch 'versulzter', also dickflüssig gewordener Diesel, bringe zahlreiche Fahrzeughalter in die Bredouille.
Von einem warmen Fahrzeug kann Zeitungsausträgerin Iris Rösel (44) aus Füssen nur träumen. Jede Früh um vier Uhr startet sie ihre Tour. Gestern hätte das Thermometer an ihrem Haus minus 18 Grad angezeigt. Sie erzählt lachend: 'Da hilft nur eines: dick einpacken.' Mit Strumpf-, Jogging- und Skihose, Wollsocken und -unterhemd, Daunenanorak, Mütze und einem Schal über Nase und Mund ist sie unterwegs. Doch selbst diese dicke Schutzschicht half gestern nichts mehr, ergänzt die 44-Jährige: 'Mir sind die Wimpern zugefroren.'
Auf den meisten Baustellen sind die Arbeiten inzwischen eingestellt – doch manches lässt sich nicht schieben. Das spürte gestern Schreiner und Zimmerer Werner Schmid (34) in Schwangau am eigenen Leib: Er musste das Zugband an einem Rollladen erneuern. Allzu tragisch sieht er das Wetter nicht: 'Es ist fast jedes Jahr so kalt.'
Rainer Lutz von der Polizei Füssen sieht die Situation gelassen: 'Bislang wurden uns wegen der Kälte keine besonderen Vorkommnisse gemeldet.'